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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Sitzfläche herum und wandte sich ihm zu.
    »Damit hab ich angefangen«, erzählte er nebenbei mit seiner vollen Bassstimme. »Mit siebzehn, in Kalifornien und Nevada. Abends, zum Spaß, nachdem ich den ganzen Tag nach Gold gegraben hatte. Jonglieren, Armdrücken, Gewichtheben. Da war ich schon drei Jahre von zu Hause fort. Zur See bin ich gefahren, weil mich das Fernweh packte und ich mein Glück machen wollte. In Brasilien war ich, in Singapur, Hongkong und Shanghai, und in San Francisco bin ich dann von Bord.« Wie auf Gummifäden aufgezogen, formierten sich die Bälle zu zwei auf und ab wandernden Säulen, dann zu einer auf und ab flackernden Zickzacklinie, manchmal mit seiner hohen Stirn oder der kräftigen Nase als Zwischenstopp. »Den großen Goldschatz habe ich nicht gefunden, also hab ich das Zweitbeste gemacht – ich bin zum Zirkus gegangen. Die ganze Westküste entlang und über Mexiko in den Osten.« Er begann, einen Ball nach dem anderen gezielt in die Porzellanschüssel auf dem Waschtisch zu werfen. Klonkklonk. »Als ich fünfundzwanzig war, wollte ich zur Beerdigung meiner Mutter nach Hause, bin aber nur bis Hamburg gekommen.« Klonkklonk. »Ich hatte zwar einen amerikanischen Pass, aber das Risiko, dass mich die Preußen in ihren verdammten …« Klonkklonk. »… Krieg gegen Frankreich einziehen, sobald ich auf der Schwelle meines Elternhauses auftauche, war mir dann doch zu groß. Mein Vater hat mich dann in Hamburg besucht, und wir waren zusammen im Zirkus Renz.« Klonk. »Und da«, den letzten Ball behielt er bei sich und wechselte ihn locker von einer Hand in die andere, »hatte ich die Idee mit den Kanonenkugeln. Alle Ingenieure, die ich danach fragte, haben mich für verrückt erklärt. Das sei unmöglich.« Er schleuderte den Ball hoch, dass er beinahe an der Decke anschlug, und fing ihn auf, wieder und wieder, abwechselnd in jeder Hand. »Dann bin ich nach England, hab mir in Birmingham billig eine olle Militärkanone gekauft und geübt.« Der Ball landete in seiner Rechten, und er hielt die Linke hoch, die in dem Lederhandschuh steckte. »Zwei Jahre hab ich geübt, zwei Finger hat es mich gekostet. Aber es hat sich gelohnt.« Er warf den Ball in die Luft, ließ ihn auf seiner Stirn abprallen und fing ihn mit der Linken. »Seitdem weiß ich, dass nichts unmöglich ist. Wenn man es nur will.« Er trat auf den Tisch zu und lehnte sich neben Floortje an die Tischkante; unwillkürlich verkrampfte sie sich auf ihrem Stuhl. »Du wolltest hier auch dein Glück machen, stimmt’s?«
    Sie nickte, und erneut schossen ihr Tränen in die Augen. Holtum streckte die Rechte nach ihrem Gesicht aus, und sie bog hastig den Kopf zurück.
    »Ganz ruhig«, kam es langgezogen von weit unten aus seinem Leib. »Ich fass dich nicht an. Halt nur kurz still.«
    Floortje spürte einen Luftzug an ihrem Ohr, und er hielt ihr die Hand zur Faust geballt hin. Ratlos blickte sie erst in sein Gesicht, dann auf seine Hand, die er daraufhin umdrehte. Floortje quiekte auf, als er die Finger öffnete und sich darin mit einem Ruck eine üppige, handtellergroße Stoffblüte entfaltete. Sie schlug die Hand vor den Mund und gluckste dahinter hervor.
    »Für dich, Blümchen.«
    Verlegen sah sie zu ihm auf. Holtums Augen glänzten, und um seinen flachen Mund, scharf und eckig gezeichnet wie sein ganzes Gesicht, lag ein kleines, kaum sichtbares Schmunzeln.
    Seine Hand bewegte sich auffordernd, und behutsam nahm sie die Blüte an sich, betastete sie und drehte sie zwischen den Fingern, ein winziges Lächeln auf dem Gesicht.
    »Krieg’s nicht in den falschen Hals«, sagte er und griff sich die Flasche vom Waschtisch. »Aber ich muss die Beine von mir strecken. War ein harter Tag, und ich bin schließlich auch nicht mehr der Jüngste.«
    Holtum wanderte zurück ins Schlafzimmer und ließ sich auf das Bett fallen, an dieselbe Stelle wie vorher, auch wieder in halb sitzender, halb liegender Haltung. Floortje zögerte, dann ging sie ihm nach, blieb aber im Türrahmen stehen.
    Er fing ihren Blick auf, schnappte sich eines der Kissen und warf es auf die Matratze, ein gutes Stück vom Rand, aber weitaus mehr als eine halbe Körperlänge von ihm selbst entfernt. Einladend wies er auf das Kissen, und ein Lächeln huschte über Floortjes Gesicht, während sie zum Bett hinübertapste.
    Als hätte er gespürt, wie dringend sie eine Barriere zwischen ihrem Körper und dem seinen benötigte, um sich sicher zu fühlen.
    »… und dann sagte der

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