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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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gegerbtes, falbes Leder und gloste lohfarben im Licht der Abendsonne, während die weich gezeichneten Hügel und Täler aus Sand dem Fell eines Löwen glichen. Der Wind roch salzig und nach einem Staub, der Tausende von Jahren alt zu sein schien, ewig und unvergänglich wie das Land, das er bedeckte.
    Als sich vor dem Kiel des Schiffs das Meer öffnete, wandelte sich seine Farbe von Türkis, Smaragd und Königsblau zu einer tintigen Schwärze, in der es geheimnisvoll jadegrün schillerte. Delphine schossen durch das Wasser, brachen hier und da mit einem kraftvollen Sprung daraus hervor und verschwanden so unbemerkt, wie sie gekommen waren. Mit der Weite des Meeres kam die Hitze, die die Kinder quengeln ließ und die Erwachsenen müde und reizbar machte. Dann wurde es still an Bord, diese dösige, bewegungslose Stille, wenn unter dem grellen Lodern der Sonne jede Regung zu viel, jeder Atemzug schweißtreibend ist. Vier endlose lange Tage und vier Nächte, in denen die Luft auf und unter Deck schwelte.
    Erst jenseits des Bab el-Mandeb, der Meerenge, an der sich Afrika und Arabien nahe kommen, zwischen Klippen, bizarren Felsgebilden und in Jahrhunderten zurechtgeschmirgelten Steinbögen, Flächen und Spalten wurde der Wind frischer, die Luft kühler, und die Lebensgeister kehrten zurück. Im gleißenden Licht der Sonne ankerte die Prinses Amalia vor der Reede von Aden, hinter der sich schroffe Bergwände erhoben. Scharen kleiner Jungen und Halbwüchsiger, dunkel wie starker Tee, umschwärmten das Schiff und boten von ihren Nussschalen aus lautstark die Hörner von Antilopen und die gezahnten Schnauzen von Sägefischen, Seesterne und Muscheln zum Kauf an, forderten ohne Umschweife baksheesh ein oder führten ihre Tauchkünste vor. Sonorer als das Geschrei der Jungen klangen die Handelsrufe der Männer aus den größeren Booten, die einmal mehr Straußenfedern, bunt bedruckte Baumwollstoffe und Früchte feilboten oder mit treuherzigen Blicken darum baten, ihnen Geld zu wechseln.
    Keine vier Stunden hatte der Aufenthalt gedauert, der die Speisekammer des Dampfers wieder mit Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch füllte und das Kohlelager mit dem schwarzen Gold, das die Felsen von Aden färbte und Dächer und Mauern mit einer dunklen Glasur überzog. Zu wenig Zeit, als dass es sich gelohnt hätte, an Land zu gehen und sich umzusehen, genug jedoch, um sich von dem Trubel und Stimmengewirr erschöpft zu fühlen.
    Noch vor dem Mittagessen legte die Prinses Amalia wieder ab und steuerte weiter südwärts. Der Indische Ozean, meergrün und sattblau, empfing sie mit offenen Armen, stürmisch wie ein heißblütiger Liebhaber, den sie über Gebühr hatte warten lassen, und in seiner Leidenschaft ungewollt grob.
    Floortje taumelte durch den Korridor. Der Boden schwankte auf und ab, und obwohl sie konzentriert einen Schritt vor den anderen setzte und sich mit den Armen ausbalancierte, wankte sie umher wie eine Gliederpuppe, die von ungeschickten Kinderfingern umhergeschlenkert wird. Jäh krängte das Schiff und schleuderte Floortje gegen die Wand; mit Schulter und Hüfte krachte sie gegen einen Türrahmen und jammerte auf.
    An Deck hatte ihr die aufgewühlte See besser behagt. Eingemummelt in eine Wolldecke hatte sie von ihrer Liege aus zugesehen, wie das Meer brodelte und das Schiff darin stieg wie ein scheuendes Pferd. Schaum und Gischt brandeten auf und spritzten in Fontänen über die Reling. Immer wieder war ein Schwall Wasser über die Decksplanken geklatscht und hatte Floortjes Gesicht mit feinen, salzigen Tröpfchen besprengt. Voller Staunen hatte sie die Schwärme fliegender Fische beobachtet, die zu Hunderten jenseits der Reling wie aus dem Nichts aufstiegen und wieder abtauchten; um sie herum das Wüten des Windes, der sie umtoste, an der Decke riss und zerrte und Floortjes Kopf von allen Gedanken leerfegte. Beschützt und geborgen wie in einem Kokon hatte sie sich inmitten der tobenden Elemente gefühlt. Ein seltenes Gefühl und ihr deshalb umso kostbarer.
    Sie rieb sich über die schmerzenden Stellen und schimpfte leise vor sich hin, schnaufte halb zornig, halb voller Selbstmitleid auf und wankte weiter, bis zur übernächsten Tür, an deren Rahmen sie sich festhielt.
    Während der Mahlzeiten fand sie es lustig, wie alles auf dem Tisch klirrte und klapperte und, trotz der über dem Tischtuch angebrachten Leisten, die verhindern sollten, dass alles durcheinanderfiel, die Flaschen kreiselten, das Huhn auf dem Porzellan

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