Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
zusammen und erstarb schließlich ganz.
»Fesch hin oder her …« Floortje seufzte tief auf und musterte sehnsüchtig Frits und seine Kameraden. »Was soll ich denn mit einem solchen Grünschnabel? Die müssen sich ihre Sporen erst noch verdienen, bei kärglichem Sold, und zu umtriebig für eine Ehe sind sie auch noch. Lieber«, in ihre Stimme schlich sich ein verträumter, beinahe schmeichlerischer Unterton, »lieber einen gesetzten, aber immer noch schneidigen Offizier.« Mit leuchtenden Augen sprang ihr Blick zwischen Major Rosendaal und Leutnant Teuniszen hin und her, die über die Schultern der vier Rekruten hinweg Frotzeleien und wohlmeinende Ratschläge in die Spielrunde warfen.
»Der edle Ritter auf seinem stolzen weißen Ross«, sagte Jacobina trocken und zeichnete mit dem Finger den Buchfalz nach.
»Ja, genau!«, erwiderte Floortje lachend.
Jacobina starrte vor sich hin. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie einen ganz ähnlichen Traum gehegt hatte. Wenn sie heute daran zurückdachte, war er ihr peinlich, so kindlich, so versponnen kam er ihr im Nachhinein vor. Von einem Mann hatte sie geträumt, für den sie interessant und liebenswert sein mochte, der gerne mit ihr zusammen war und sie, wenn schon nicht hübsch, so doch wenigstens ein bisschen anziehend fände. Dessen Augen aufglänzten, wenn er sie ansah; ein Glanz, der vielleicht auf sie übersprang und sie auch in den Augen anderer weniger farblos, weniger langweilig aussehen ließ. Erst hoffnungsvoll, dann verzweifelt hatte sie diesen Traum gehütet, bis er sich an all den festlichen Diners, den Gartenfesten, Landpartien und Bällen, zu denen ihre Mutter sie mit wachsender Resignation begleitete, abgenutzt hatte. Zerschlissen war dieser Traum unter jenen endlosen Stunden, die Jacobina erst mit einem freudigen, dann mit einem zunehmend gequälten Lächeln am Rand der Tanzfläche ausgeharrt hatte, ohne von jemand anderem als Henrik aufgefordert zu werden. Der Mann ihrer Träume bekam nie ein Gesicht, nie einen Namen, genauso gut hätte Jacobina sich die Sterne vom Himmel wünschen können, und über die Zeit war sie schließlich diesem Luftschloss entwachsen. Mit jedem der Herren, die ihr vorgestellt wurden, ein wenig mehr; all diese jungen und mittelalten Männer in guten Anzügen, die unter höflichen Floskeln durch sie hindurchsahen. Bis sie Jacobinas Namen mit dem Bankhaus Van der Beek in Verbindung brachten und ein interessierter Funke in ihren Augen aufglomm, der jedoch niemals Jacobina selbst galt. Das einzige Opfer, das sie nie für die Familie gebracht hatte: einen Mann zu heiraten, der sie nur wegen des Geldes nahm. Eine Verfehlung, die ihr nie verziehen worden war.
»Du … du musst mich für sehr oberflächlich halten«, hörte sie Floortje kleinlaut flüstern.
Jacobina hob ausweichend die Schultern.
»Für mich ist das eben der einzige Weg, etwas aus meinem Leben zu machen«, erklärte Floortje leise, während sie an den Zehennähten ihrer Strümpfe herumknibbelte. »Mehr, als mich als Dienstmädchen oder als Magd zu verdingen oder einen Schmied, einen Bauern, vielleicht noch einen Krämer zu heiraten. Und ich finde, ich habe für den Rest meines Lebens genug Böden geschrubbt und Kartoffeln geschält.« Mit einem tiefen Seufzer richtete sie sich auf; einen Ellenbogen auf die Knie gestützt und die Wange in ihre Hand geschmiegt, sah sie Jacobina schüchtern an. »Bei dir ist das sicher etwas anderes. Du beherrschst schon allein mehrere Sprachen, während ich nur leidlich Deutsch und ein bisschen Englisch kann, und du bist überhaupt sehr gebildet. Damit lässt sich eben mehr anfangen als nur mit einem hübschen Gesicht.«
Jacobina lächelte schwach. »Glaub mir«, entgegnete sie mit belegter Stimme, »so viel anders ist das auch nicht.«
Sie hatte lange gebraucht, um zu durchschauen, dass ihre Erziehung zu einer kultivierten jungen Dame allein den Zweck verfolgte, vielleicht einen Arzt oder einen Gelehrten für sie zu gewinnen. Vergeblich; denn offenbar bevorzugten auch Männer mit großen Geistesgaben und mehr oder minder ansprechendem Erscheinungsbild eine Gattin, die vor allem hübsch anzusehen war und ihnen Glanz verlieh. Und obwohl weder ihr Vater noch ihre Mutter je ein Wort darüber fallen ließen, hatte Jacobina dennoch ihre Enttäuschung gespürt, dass all die Ausgaben für teure Privatstunden und Bücher umsonst gewesen waren; eine Verschwendung des Familienvermögens, die dem Ethos der van der Beeks zuwiderlief, jede
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