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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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»Hier auch.«
    Sie sahen sich in die Augen und lächelten sich unter Tränen an; sie hatten ein unwahrscheinliches Glück gehabt.
    Floortje knabberte auf ihrer Unterlippe herum und sah auf die Bucht hinaus. »Meinst du, wenn wir’s bis dort hinunter schaffen, sammelt uns vielleicht ein Boot oder Schiff ein?«
    »Versuchen können wir’s«, meinte Jacobina zögerlich. »Viel mehr wird uns auch nicht übrig bleiben, auf Dauer können wir nicht hierbleiben.«
    »Ich schaue, ob ich irgendwo ein Tuch finde, damit wir dir die Kleine wieder festbinden können«, sagte Floortje rasch, während sie zur Tür ging. Mit einem erstickten Laut blieb sie abrupt auf der Schwelle stehen und umklammerte mit beiden Händen den Türrahmen.
    »Was ist?«, erkundigte sich Jacobina erschrocken.
    »Brauchst du sonst noch was?« Floortjes Stimme zitterte. »Dann bringe ich dir das mit. Ist nämlich besser, du gehst da nicht mehr rein.«
    »Warum?«
    »Ich will nicht, dass du das siehst.« Unter heftigem Schlucken, um den Brechreiz zu unterdrücken, trat Floortje über die Schwelle und hastete an dem leblosen Körper vorbei, dem die Haut in Fetzen herunterhing und den sowohl die Finsternis als auch das heutige Dämmerlicht gnädig vor ihnen verborgen gehalten hatte; halb unter dem umgestürzten Schränkchen begraben, war er erst in der Sonne, die durch die geöffnete Tür hereinfiel, sichtbar geworden.
    Auf der Schwelle des Schlafzimmers blieb Floortje stehen, bis ihre Augen sich nach der Helligkeit draußen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Auch in einem Winkel links des breiten Betts lag ein mit Brandwunden übersäter Leichnam. Ungerecht schien es ihr, dass es wohl nur Glück oder Zufall zu verdanken gewesen war, wer mit dem Leben davonkam und wer starb, wer schwere Verletzungen davontrug und wer nur leichte. Dann richtete sie ihren Blick auf die Leichen von Kian Gie und Jian. Vor allem für Kian Gie nahm sie sich Zeit. Er lag auf dem Rücken, sodass sie nicht erkennen konnte, wie schwer seine Verletzungen wirklich waren, und auf eine Art war sie froh darüber. Es genügte, die Spuren eines peinvollen Todeskampfs auf seinem Gesicht zu sehen. Seine Lider waren geschlossen, und er sah verändert aus im Tod; die Konturen seines Gesichts wirkten weicher, aber beileibe nicht sanft, und der Ausdruck darauf schien ihr nicht weniger rätselhaft als zu seinen Lebzeiten.
    Floortje hatte keinerlei Erinnerung daran, wie der Sturm aus Asche, Staub und glühender Hitze durch das Haus gefegt war; das Letzte, was sie noch wusste, war, wie Kian Gie sich auf sie gestürzt hatte und sie überzeugt davon gewesen war, er würde nicht nur sie, sondern auch Jacobina und Ida ermorden. Unmittelbar danach war es schwarz um sie geworden, und erst Jacobinas Rütteln und Rufen hatte sie wieder zu Bewusstsein kommen lassen.
    Nachdenklich ließ sie die Augen durch den dämmrigen Raum schweifen und betrachtete dann wieder Kian Gie. Vielleicht hätten Jacobina und sie auch ohne ihn und Jian überlebt. Vielleicht aber auch nicht, und mit Sicherheit nicht nur mit den leichten Blessuren, die sie jetzt davongetragen hatten.
    »Hast du am Ende doch so etwas wie ein Herz gehabt?«, flüsterte sie Kian Gie zu. »Wenn – dann muss es allerdings ein sehr finsteres gewesen sein.«
    Harmlos wirkte ihr Peiniger im Tod, wie ein ganz gewöhnlicher Mensch; nicht wie jemand, der sie über Wochen hinweg benutzt und erniedrigt hatte, bis sie ihrem Leben sogar ein Ende setzen wollte, und Floortje begann zu ahnen, welch leichtes Spiel er mit ihr gehabt hatte. Weil er die Wunden gewittert hatte, die ihr das Leben lange zuvor geschlagen hatte.
    »Floortje?«, hörte sie Jacobina von draußen rufen.
    »Gleich!« Sie bückte sich und hob das zerknüllte und angesengte Leintuch vom Boden auf.
    Sie war dankbar dafür, dass sie am Leben waren, aber sie wollte diese Dankbarkeit nicht Kian Gie schulden müssen, nicht nach allem, was er ihr angetan hatte; dennoch empfand sie in diesen Augenblicken, da sie vor seinem Leichnam stand, auch keinen Hass – nur unendliche Erleichterung, dass es endlich vorbei war.
    »Ich hab dir nie gehört«, raunte sie ihm zu. »Nicht eine einzige Sekunde lang.«
    Sie wandte sich um und ging hinaus zu Jacobina, ins helle Sonnenlicht.
    Langwierig und kräftezehrend war der Abstieg, durch Asche und Schlacke und über Geröll, das oft noch heiß war und rauchte. In der Hitze, die ihre Haut verbrannte, während ihre Füße erst blasig wurden und dann an einigen Stellen

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