Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Gedanke, Ida würde ein ähnliches Schicksal zuteilwerden wie dem kleinen Sohn der Beyerincks, krampfte ihr alles zusammen. Sollte der Rajabasa jedoch tatsächlich auch noch ausbrechen, wäre es für sie hier, knapp auf halber Höhe des Berges, wenigstens schnell vorbei.
»Wir haben nicht ewig Zeit, Fräulein van der Beek!«
Jacobina ahnte, dass es in dieser Situation unmöglich war zu wissen, was sich später als richtige und was als falsche Entscheidung erweisen würde; sie waren allein auf Gottes Gnade angewiesen.
»Wir bleiben hier«, sagte sie schlicht.
»Wie Sie wollen«, knurrte Beyerinck ungehalten und tastete im Zimmer umher, um ein paar Sachen zusammenzusuchen. »Viel Glück«, warf er ihr dann zu. »Sie werden es brauchen!«
»Wir sehen uns in Batavia«, flüsterte Jacobina.
Er schwieg einen Augenblick und erwiderte dann mit einer Stimme, die unvermittelt müde und schleppend klang: »Sofern es Batavia überhaupt noch gibt.« Seine Schritte wandten sich zur Tür, die hinter ihm zuschlug.
Jacobina lauschte dem Getümmel des Aufbruchs vor der Veranda und den sich langsam entfernenden Stimmen. Floortje regte sich und stand auf. »Bin gleich wieder da.«
Jacobina konnte sie umhergehen und herumkramen hören; es schepperte und klapperte, und ein paar Mal gab Floortje einen Schmerzenslaut von sich, weil sie sich im Dunkeln irgendwo angestoßen hatte. Keuchend näherte sie sich wieder und setzte etwas Schweres ab, tappte dann zum Büffetschrank und wühlte darin herum.
»Was hast du da geholt?«, wollte Jacobina wissen und streckte die Hand aus. Sie befühlte ein großes Gefäß, ähnlich einem Eimer, und zuckte zusammen, als ihre Hand in etwas Nasses stippte, das sich an der Oberfläche schleimig anfühlte.
»Wasser«, erklärte Floortje, nahm ächzend wieder neben ihr Platz und fischte in dem Eimer herum. »Als wir hier angekommen sind, habe ich Frau Beyerinck doch ein bisschen geholfen, und dabei hab ich gesehen, dass hinter der Küche ein Bach fließt. Er ist zwar voller Asche, aber wenn wir die abschöpfen, können wir das Wasser bestimmt trinken.« Sie nahm hörbar einen Schluck. »Geht sogar, zur Not. Hier.« Sie nahm Jacobinas Hand und drückte ihr das Glas hinein.
Jacobina probierte selbst, verzog das Gesicht und begann, Ida etwas davon einzuflößen. Das kleine Mädchen wandte abwehrend den Kopf hin und her, aber nach viel Locken und Schmeicheln gelang es Jacobina dann doch; vielleicht hatte sich auch der Durst letztlich stärker erwiesen als der schlechte, klebrige Geschmack des Wassers.
»Sollen wir vielleicht Streichhölzer suchen und Licht machen?«, schlug Jacobina vor, die Floortje ihre Fürsorge vergelten wollte.
»Die Lampe ist kaputt«, flüsterte Floortje, und Jacobina glaubte ein kleines Glucksen in ihrer Stimme herausgehört zu haben. »Ich hab mich vorhin am Schrank fast an einer Scherbe geschnitten.« Ernst klang sie, als sie hinzufügte: »Vielleicht ist es auch ganz gut so, dass ich die Dunkelheit jetzt aushalten muss. Dass ich ihr nicht ausweichen kann. – Hier.« Sie tastete nach Jacobinas Hand und drückte ihr ein Stück Zwieback hinein.
»Wir werden das hier überstehen«, sagte Jacobina, aber ihre Stimme klang ihr selbst schwach in den Ohren.
»Ja, das werden wir«, stimmte Floortje tapfer zu.
Eine Weile war nur das Knuspern des Zwiebacks zu hören, den sie aßen, und Idas zufriedenes Schmatzen.
»Eigentlich wäre es nur gerecht, wenn ich heute gestorben wäre«, nuschelte Floortje nach einer Weile hinter ihrem Zwieback hervor.
»Warum?« Jacobina runzelte die Stirn, während sie noch ein Stückchen für Ida zerkrümelte.
Floortje schwieg einige Herzschläge lang. »Einen Tag bevor ich mich nach Sumatra aufgemacht habe, da … da wollte ich nicht mehr leben.«
Jacobina starrte in die Finsternis, die sie umgab, die etwas Bedrohliches hatte und zugleich eine Art von Geborgenheit vermittelte. »Vielleicht …«, begann sie zögerlich, »vielleicht ist das jetzt eine gute Zeit, um zu erzählen?«
Sie hörte, wie Floortje langsamer auf ihrem Zwieback herumkaute. »Ich hab nur Angst, dass du schlecht über mich denken könntest.«
Jacobina streichelte Ida über das Köpfchen und erinnerte sich an ihre eigenen Erlebnisse und Erfahrungen der letzten Monate. »Ich glaube, ich denke heute über viele Dinge anders als noch vor einem Jahr.«
Floortje schnaufte auf, als wäre ihr ein Stein vom Herzen gefallen, und kuschelte sich eng an Jacobinas Schulter.
Es war die
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