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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Städte und Dörfer die Küste hinauf bis hinter Bantam, und die Küste Sumatras bot ein ähnlich schauriges Bild; nicht nur Ketimbang war ausgelöscht, sondern auch Teluk Betung und viele weitere Landstriche entlang der Bucht von Lampung. Näheres wusste man noch nicht, nicht, bis die ausgesandten Kolonialbeamten von ihren Erkundungsgängen durch die zerstörten Gebiete zurückgekehrt sein würden, die sie in diesen ersten Septembertagen unternahmen, vielleicht würde man dann auch die Zahl der Toten genauer beziffern können, die bereits jetzt auf viele Tausende geschätzt wurde. Genau würde man sie nie kennen, zu viele Menschen waren von den Fluten ins Meer gerissen worden. Und trotz widersprüchlicher Berichte stand eines fest: Nur wenige Europäer hatten in diesem Inferno ihr Leben gelassen, etwas mehr als drei Dutzend. Der große überwältigende Rest waren Sundanesen, Malaiien, Javanesen, Chinesen und Araber. Orang Alijehs Zorn hatte die Völker seines eigenen Reichs getroffen.
    Und er hatte Batavia weitestgehend verschont. Zwar hatten unter einem verfinsterten Himmel, der eine noch nie zuvor dagewesene Kälte über die Stadt brachte, mehrere Flutwellen den Hafen erreicht und waren mit großer Wucht stadteinwärts durch die Kanäle geschossen, die daraufhin überschwappten, aber bis auf einige weggespülte Straßenstände und überflutete Geschäfte hielt sich der Schaden in Grenzen. Batavia zeigte sich erkenntlich und revanchierte sich mit einem Wirbel an Benefizveranstaltungen, wie alles in der Stadt prunkvoll und überbordend, die Spenden einbringen sollten. Geld, das wie die Zuwendungen aus aller Welt von einem eigens dafür gegründeten Komitee verwaltet wurde. Der Prinz von Oranien sammelte in den Niederlanden, und die Herren Krupp aus Essen hatten großzügige sechstausend Florin geschickt. Schließlich musste man auch an die Pflanzer und Händler denken, deren Straßen und Häfen zerstört worden waren, die so viele ihrer Arbeitskräfte verloren hatten und die einige Zeit darauf würden warten müssen, bis die Überlebenden wieder voll einsatzfähig waren. Und während der Java Bode die gegenseitige Befruchtung von Vergnügen und Spendenbereitschaft pries, neben dem Bedürfnis nach Erholung und der wohltuenden Abwechslung von den Mühen des Geschäftslebens auch das Gemeinschaftsgefühl der Gesellschaft von Batavia betonte, fanden sich im Anzeigenteil Bitten um Geld und Sachspenden für Bedürftige und Hinweise auf Wohltätigkeitsveranstaltungen.
    »Der Zirkus ist noch einige Tage länger hier und gibt Vorstellungen für den guten Zweck«, sagte Jacobina und faltete die Zeitung raschelnd wieder zusammen. Durch die Schlitze der Fensterläden fiel die buttrige Sonne des späten Morgens und tauchte das Zimmer in ein wohltuend sanftes Licht, während aus den Bäumen draußen im Garten das fröhliche Lied der Vögel und das Sirren der Zikaden hereinsprudelten.
    Floortje, die neben ihr auf dem Bett lag, das sie sich teilten, wurde rot. »Ich weiß.« Angestrengt zwirbelte sie eine Haarsträhne um den Zeigefinger. Nachdem sie tagelang darauf beharrt hatte, dass ihr langes Haar noch immer angesengt roch, gleich wie oft sie es auch wusch und mit duftendem Haaröl einrieb, hatte sie es sich gestern schließlich abschneiden lassen; mit den dicken kinnlangen Locken sah sie aus wie ein hübscher Page in einer Operette.
    Jacobina legte die Zeitung beiseite, streckte sich ebenfalls auf dem Bett aus und sah Floortje eindringlich an. »Willst du ihm nicht doch schreiben?«
    »Wozu denn«, flüsterte Floortje, ließ die Haarsträhne los und zupfte stattdessen an einem Arm der Stoffpuppe herum, die Ida im Halbschlaf an sich gepresst hielt; wie die bescheidene Auswahl an Kleidern, Schuhen, Hüten und den notwendigsten Toilettenartikeln der drei bei van Vleuten & Cox neu gekauft. »In ein paar Tagen reist er ohnehin mit dem Zirkus weiter. Wahrscheinlich hat er mich längst vergessen.«
    Jacobina wollte ihr widersprechen, aber sie verstand sehr gut, was in ihrer Freundin vor sich ging.
    Das überschäumende Glück ihrer Rettung war nahtlos in einen Schockzustand übergegangen, noch während sie auf dem Dampfkahn, der sie nach Batavia brachte, die vollkommene Zerstörung entlang der Küste Javas vor Augen hatten. Die Einöden aus Schlamm und Trümmern, zerborstenem Holz und qualmenden Steinbrocken; die aufgeschichteten Berge von Tierkadavern und die ersten Scheiterhaufen, auf denen Leichen verbrannt wurden. Und während sie

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