Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
und eine Kommode aus dunklem Holz bildeten einen harmonischen Kontrast, und eine hohe Bodenvase in Blau und Gold, zum Bersten mit langen exotischen Blütenrispen gefüllt, bot einen Blickfang. Die vier jungen Männer schleppten Jacobinas Gepäck die Treppe hinauf, warfen über die Schulter hinweg immer wieder Blicke zu ihr herunter, nickten und lächelten, und Jacobina lächelte unsicher zurück.
»Fräulein van der Beek, wie schön!«, erklang eine Frauenstimme, und Jacobina drehte sich um. Lachend und in schwungvollem Schritt kam nyonya besar , die Herrin des Hauses, auf sie zu. »Margaretha de Jong, guten Tag. Hatten Sie eine gute Reise?« Sie sprach mit einem schweren Zungenschlag, der die Akzente des holländischen Singsangs verschob und manche Laute schärfte.
»Ja, vielen Dank«, erwiderte Jacobina und drückte die Rechte, die Frau de Jong ihr herzlich entgegenstreckte. Sie wusste nicht, wohin sie schauen sollte; statt eines Kleides oder Rock und Bluse nach westlicher Manier trug Frau de Jong einen einheimischen Wickelrock in Weiß und Blau, der ihr nicht einmal bis zu den Knöcheln reichte, und eine lose, langärmlige Bluse aus einem dünnen weißen Baumwollstoff, unter dem ihr Hemdchen durchschien. Und sie war barfuß.
Jacobina zwang sich, ausschließlich in das Gesicht von Frau de Jong zu schauen, die nur wenig älter sein mochte als sie selbst, Ende zwanzig, höchstens Anfang dreißig. Ein sehr hübsches Gesicht war es, mit fein geschnittenen, zart gebräunten Zügen, einem geschwungenen Mund von natürlichem Rot und umrahmt von mahagonidunklem Haar, das zu einem ähnlich strengen Knoten frisiert war wie bei Ratu. Und das Saphirblau der Augen wiederholte sich in den blauen Steinen der filigranen Ohrgehänge aus Gold, die bei jeder der temperamentvollen Bewegungen Frau de Jongs pendelten und schaukelten.
»Bitte entschuldigen Sie, dass keiner von uns Sie abgeholt hat«, sagte Frau de Jong und unterstrich ihre Worte mit einem offenen Lachen; eine lebenssprühende Energie ging von ihr aus, die Jacobina gefiel. »Mein Mann wurde auf die Schnelle in die Garnison bestellt, und ich habe Gäste.« Wie auf Geheiß hörte Jacobina von draußen Frauenstimmen, die vergnügt durcheinanderredeten. »Aber Budiarto hat Sie ja gut hergebracht. Ach, ich rede und rede – Sie wollen sich gewiss frisch machen!« Freundlich legte sie Jacobina die Hand auf den Oberarm. Unwillkürlich presste Jacobina die Arme enger an den Körper; sie hoffte, nicht allzu unangenehm zu riechen, nassgeschwitzt wie sie war. »Ratu zeigt Ihnen das Zimmer.« Frau de Jong nickte der Bediensteten zu, die sich mit gefalteten Händen im Hintergrund gehalten hatte. »Kommen Sie einfach wieder runter, wenn Sie fertig sind, ja?«
Während sie Ratu die Treppen hinauf folgte, sah Jacobina Frau de Jong hinterher, die mit gerafftem Wickelrock durch die Halle ging; nicht ganz so anmutig wie Ratu, aber immer noch mit einer geschmeidigen Eleganz, trotz ihrer bloßen Füße.
»Reise lang, ja?«, erkundigte sich Ratu mitfühlend.
»Ja, sehr«, entgegnete Jacobina. Aufmerksam besah sie sich den langen Korridor mit dem glänzenden dunklen Holzboden und den weißen Türen. Eine davon stand offen, und hier machte Ratu halt und wies einladend in den Raum dahinter. »Hier noni van ter Beck. Da«, sie deutete auf die gegenüberliegende Tür, » nyo Jeroen und non Ida.« Die Kinder, derentwegen sie hier war; bislang nur zwei Namen ohne Gesicht und ohne Persönlichkeit. Jacobina nickte. Sie trat über die Schwelle und sah sich flüchtig in dem dämmrigen Raum um.
»Helfen?«, fragte Ratu und wies auf die säuberlich aufgestapelten Koffer und Hutschachteln.
»Nein, danke, geht schon.«
»Wenn brauchen – bitte hier«, erklärte Ratu und zeigte ihr die Klingel für das Personal; dann legte sie die Hände gegeneinander und verneigte sich, bevor sie sanft die Tür hinter sich schloss.
Geraume Zeit stand Jacobina einfach nur da und ließ die Augen durch das Zimmer schweifen. Es war nicht übermäßig groß, aber durchaus geräumig. Gegenüber dem breiten Bett unter dem zurückgeschlagenen Moskitonetz, das den Winkel links der Tür einnahm, hatten ein Waschtisch mit Spiegel und ein Schrank Platz gefunden, alles aus dem schön gemaserten Holz, das Jacobina schon in der Halle bewundert hatte, und unmittelbar neben das Fenster war ein kleiner Sekretär nebst Stuhl gerückt. Die de Jongs hatten wirklich an alles gedacht. Ein kleines Lächeln umspielte Jacobinas Mund. Mein
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