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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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erschlug sie der Lärm der Stadt, das Hufgeklapper und das Knirschen der Räder unzähliger Karren, Ponywagen und Kutschen auf den Straßen, hinter denen Staubfahnen aufflatterten. An vielen Häusern waren bezopfte Chinesen mit Hämmern, Sägen und Malerarbeiten beschäftigt; Männer, die Haut so braun wie Zuckerrübensirup, kehrten die Veranden oder hockten schwatzend beisammen, die nackten Fußsohlen plan auf der rötlichen Erde und das Hinterteil so tief über dem Boden, dass Jacobina allein vom Hinsehen schon die Achillessehne brannte. An einer Straßenecke kauerte in den Fältelungen ihres Gewandes in Blau und Rot ein uraltes Weiblein, das Gesicht dunkel und zerfurcht wie eine Dörrfeige, und bot auf einem tellergroßen grünen Blatt flache Kuchen mit Zuckerkruste feil. In Anzügen oder hemdsärmelig standen europäische Männer mit einer Zigarette in der Hand vor einem Hauseingang oder überquerten im Schlendergang die Straße, und Männer, deren Hautfarbe zwischen Weiß und Braun lag, mal mehr wie Toffee, mal Erdnussbraun, schritten in abgetragenen Anzügen und von einem Sonnenschirm beschattet voran. Batavia schien eine lebhafte Stadt zu sein, aber keine, die Eile oder gar Hektik kannte.
    Waren die Häuserreihen, durch die sie kutschiert wurden, anfangs noch einfach, beinahe provisorisch und ein bisschen schäbig unter ihren vorgezogenen Dächern, wurden die Häuser später größer, wenn sie auch nie über zwei Stockwerke hinauskamen, und sahen sauberer aus, und auch die Straßen verbreiterten sich. Die Fassaden der Geschäfte, an denen sie vorüberrollten, wirkten einladend und beinahe wie in Europa. Hier war die Stadt auch grüner; statt einzelner zerzauster Palmen beschatteten Baumriesen die Dächer und Straßenränder. Jacobina staunte über die Gaslaternen, die ihren Weg säumten; wenn sie bei Einbruch der Dunkelheit aufglimmen und ihren blassen Lichtschein verbreiten würden, sähe die Stadt bestimmt wie verzaubert aus, und die Grachten, die Batavia durchzogen, erinnerten sie ein bisschen an ihre Heimatstadt. Aus dem Nichts hatte man hier nach und nach ein zweites Amsterdam erbaut, ein Stück Holland, das dennoch unübersehbar von den Tropen geprägt war.
    Einer der Kanäle, der die Stadt schnurgerade durchschnitt – »Molenvliet!«, hatte Budiarto entzückt mit einer Wendung seines Kopfes herausposaunt und dabei um ein Haar einen anderen Ponywagen gerammt –, begleitete sie ein gutes Stück ihres Wegs, bis Budiarto unvermittelt in die Eisen stieg und der Wagen jäh anhielt.
    »Hotel von noni !«, rief er, stieg ab und bellte nach den Kofferträgern, die in schlammfarbenen Hosen, langärmligen weißen Hemden und dem unvermeidlichen Tuch um den Kopf schon herbeisprangen.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte Floortje und kletterte mit Budiartos Hilfe aus dem Wagen, um den Kofferträgern zu zeigen, welches ihre Gepäckstücke waren.
    Jacobina lugte unter dem Verdeck hervor. Mehrere aneinandergebaute, makellos weiße Bungalows unter tief herabgezogenen Schindeldächern bildeten die Front des Hotels; dahinter ließen sich weitere Gebäude um einen großzügigen Innenhof erkennen. Das gesamte Anwesen war groß und parkähnlich und von einem zierlichen schmiedeeisernen Zaun umgeben. Der hässliche Gedanke trieb in Jacobina herauf, dass Floortje sich das Zimmer in Colombo angeblich nicht hatte leisten können, sich aber offenbar sehr wohl für längere Zeit hier in Batavia schick einzumieten gedachte.
    Dennoch war ihr beklommen zumute, als Floortje wieder in den Wagen stieg und sich neben sie setzte.
    »Mach’s gut«, flüsterte Floortje mit belegter Stimme und streichelte über Jacobinas Unterarm.
    »Du auch«, erwiderte sie mit zugeschnürter Kehle.
    Zu ihrer eigenen Überraschung wich sie nicht zurück, als Floortje sie gleich darauf stürmisch umarmte; vielmehr verspürte sie das Bedürfnis, sie fest an sich zu drücken, beließ es aber dabei, ihr unbeholfen über den schmalen Rücken zu streichen.
    »Danke, Jacobina, für alles!«, flüsterte Floortje gegen ihre Wange. »Ich wünsch dir alles, alles Gute für deine neue Stellung! Und ich hoffe so sehr, dass wir uns bald wiedersehen!«
    »Ja«, kam es erstickt von Jacobina. »Dir auch alles Gute. Und viel Glück!«
    Als sie Jacobina losließ, wischte sich Floortje mit dem Handrücken über die Wange. Mit einem zittrigen Lächeln auf dem Gesicht hüpfte sie aus dem Wagen, bedankte sich artig bei Budiarto und stellte sich vor den Hoteleingang.
    »Jetzt zu

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