Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Karton einfach auf den Boden und eilte davon, um mit herrischen Rufen und wichtigtuerischem Fingerschnipsen zwei der Männer herbeizukommandieren, die zuvor das Gepäck aus dem Kahn in den Zollpavillon getragen hatten und sich sogleich beeilten, die Koffer und Hutschachteln von Jacobina und Floortje zu einem der bereitstehenden Ponywagen zu schleppen. Auf Malaiisch gab Budiarto Anweisungen, in welcher Reihenfolge die Gepäckstücke hinten auf dem Wagen aufgestapelt werden sollten, und zögerte nicht, dabei lautstark zu wettern und den beiden Trägern einen Klaps auf die Finger zu geben, war er mit ihrer Vorgehensweise nicht zufrieden. Schließlich rüttelte er unter ungnädigem Brummen prüfend an dem Gepäck herum und schickte die zwei mit einem Kopfrucken wieder fort. Unvermittelt erschien erneut das breite Lächeln auf seinem Gesicht, und mit einer tiefen Verbeugung half er erst Floortje, dann Jacobina in den Wagen, die dankend abwehrte, als er ihr die Reisetasche abnehmen wollte, und ihm nur den Schirm überließ, bevor er vorne aufstieg. Mit einem lauten Ruf ließ er die Zügel schnalzen und den Wagen so ruckartig anfahren, dass es Jacobina und Floortje in den Sitz zurückwarf.
Der Wagen wendete rasant vor der Herberge, vor der die vier Rekruten mit ihrem Kommandanten zusammenstanden, jeder ein Glas in der Hand.
»Alles Gute«, rief Floortje und winkte ihnen lachend zu, und mit einem Gegenruf winkten auch die vier Rekruten, ein seliges Grinsen auf ihren jungen Gesichtern.
Die beiden Ponys trabten munter, wenn auch nicht ganz gleichmäßigen Schritts voran. Ein Turm mit viereckigem Grundriss zog am gegenüberliegenden Ufer vorbei, und gleich dahinter flatterte auf einem Dachfirst die Trikolore der Niederlande in Rot, Weiß und Blau. Rein rechtlich befanden sie sich auf Heimatboden und doch elftausend Meilen davon entfernt. Auf der anderen Seite der Welt.
Jacobina atmete erleichtert durch, als leichter Fahrtwind unter das Verdeck zog. Auf dem Lastkahn und hinter dem Zollpavillon war die Luft feuchtheiß wie in einer Dampfküche gewesen; die Bluse unter der offen stehenden Jacke klebte ihr am Rücken, und ihr Nacken fühlte sich nass an. Die Reisetasche auf dem Schoß umklammert, spähte sie unter dem Rand des Verdecks hervor, ein aufgeregtes Flattern im Bauch. Hier also hatten sich die holländischen Seefahrer rund zweihundertsiebzig Jahre zuvor niedergelassen, um von einem günstig gelegenen Stützpunkt aus ihren Handel zu schützen und auszuweiten und um die Rivalen Portugal und Großbritannien auszustechen im Kampf um das Geschäft mit den Kostbarkeiten Asiens: Silber und Kupfer aus Japan, die in Indien und China gegen Seide, Baumwolle und Porzellan für die westliche Welt gehandelt wurden. Reis und Indigo und edle Hölzer wie Teak; Gewürze wie Zimt, Muskat, Nelken und Pfeffer und später Tee und Kaffee. Schätze, die die Niederländer reich machten, so auch einen gewieften Händler namens Jacobus van der Beek, dessen Vermögen später den Grundstock für das Bankhaus Van der Beek gebildet hatte und nach dem Jacobina benannt worden war.
An einer Kaimauer endete der Kanal, und der Wagen rumpelte über eine schmale Brücke mit weiß lackiertem Holzgeländer, die einen weiteren, quer verlaufenden Kanal überspannte. Links und rechts erstreckten sich weite Flächen, nur unterbrochen von Lagerhäusern und weiteren Nutzgebäuden, hinter denen auf der rechten Seite das Panorama eines dicht bebauten Stadtteils sichtbar war. Die staubige Straße führte zu einem weißen, europäisch gestalteten Tor, um das Budiarto in einer scharfen Kurve herumfuhr, während er den Kopf zu Jacobina und Floortje umwandte. »Amsterdam Poort!«, rief er in das Gebimmel der von Pferden gezogenen Trambahn hinein, die ihnen entgegenkam, und er nickte ein paar Mal bedeutungsschwanger, als müsste ihnen diese Bezeichnung etwas sagen. Und mit stolzgeschwellter Brust trompetete er wenig später »Stadhuis!«, als sie an dem langgestreckten weißen, zweistöckigen Rathaus vorbeifuhren, dessen Glockentürmchen in der Mitte des Dachs über den großzügigen, aber unbefestigten Vorplatz blickte.
Auch Floortje sah sich nach allen Seiten um; quirlig rutschte sie auf dem Sitz umher, beugte sich über die Seitenlehne heraus oder zu Jacobina herüber, stieß sie immer wieder in die Seite, lachte und kicherte und rief fortwährend »Schau doch! Da! Und da! Hast du das gesehen?!«.
Jacobina konnte nur nicken. Nach der Stille an Bord des Dampfers
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