Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Major.«
Sanftes Lampenlicht flutete den hohen, weitläufigen Raum und sammelte sich auf dem Blumenbouquet in der Mitte des ovalen Tischs. Porzellan, Kristall und Silber glänzten auf dem weißen Damasttuch, und das sanfte Klingen des Tafelbestecks klang noch feiner vor dem Lied der Zikaden, das durch die Fenster hereinströmte. Zimtdunkle, tomatenrote und sonnengelbe Currys aus Gemüse, Früchten und Fleisch standen in Schüsseln auf dem Tisch; gebratene Bananenscheiben, gebratenes Huhn und Ente, in kleine Stücke geschnitten, gedämpfter Fisch und Meeresfrüchte, dazu gab es Reis und sämige Saucen in Rot und Grün – die berühmte rijsttafel , die Reistafel Ostindiens, die das in Weiß und Braun gehaltene Speisezimmer mit einem starken, nuancenreichen Aroma erfüllte, gleichermaßen fruchtig-süß wie pfeffrig.
»Schmeckt es Ihnen nicht?«, erkundigte sich Frau de Jong besorgt.
Auf ihrem Platz gegenüber schrak Jacobina auf; tatsächlich hatte sie nur in dem Reis auf ihrem Teller herumgestochert, auf dem einer der Bediensteten nach genauen Anweisungen des Majors eine Auswahl der Speisen angerichtet hatte. Mechanisch hatte sie seither ein bisschen von ihrer Reise erzählt, höfliche Allerweltsbemerkungen von sich gegeben und mit halbem Ohr den Erwiderungen der de Jongs zugehört. »Doch, es schmeckt vorzüglich!«, beeilte sie sich zu beteuern.
»Das können Sie wohl kaum beurteilen«, ließ sich Herr de Jong vom Kopfende des Tischs vernehmen. Seine Augen funkelten im Lampenschein des Speisezimmers, und sein Mund verzog sich halb aufwärts, als er mit dem Zeigefinger auf Jacobinas unangetastet gebliebenen Teller deutete. »Dazu hätten Sie erst einmal probieren müssen.«
Jacobina wurde rot; plötzlich fühlte sie sich den Tränen nahe, nachdem der erste Tag ihres neuen Lebens in Batavia doch bislang ein solch schöner, vielversprechender gewesen war. Zumindest, bis Ratu ihr auf ihre Bitte hin das Badezimmer gezeigt hatte, das sich unten befand, im hinteren Teil des Hauses. Den Raum mit seinen bemalten Wänden, den hohen Spiegeln und dem Marmorboden, der Topfpalme und den Orchideen in großen Steingutkübeln hatte sie zwar als sehr hübsch und vor allem als angenehm kühl empfunden – zu ihrem Entsetzen hatte ihr dann jedoch gedämmert, dass eine malaiische Bedienstete beim Bad zugegen sein würde. Das noch sehr junge Mädchen hatte sich nicht fortschicken lassen und mit entschiedener Gestik und Mimik darauf beharrt, Jacobina beim Auskleiden zu helfen. Vor die Wahl gestellt, sich vor einer Fremden auszuziehen oder verschwitzt zu bleiben, hatte Jacobina schließlich nachgegeben. Dasselbe Mädchen war es auch gewesen, das unermüdlich mit einem Holzeimer Wasser aus der Zisterne in der Ecke geschöpft und Jacobina damit übergossen hatte, während sie auf einem Lattengestell aus Holz stand und sich wusch, das Wasser unter ihr über den Boden plätscherte, sich in einer Ecke sammelte und gurgelnd durch einen Abfluss verschwand. Jetzt fühlte sich Jacobina zwar sauber und erfrischt, und sie mochte den blumigen Duft, den die Seife und das Öl, das das Mädchen ihr hinterher mit Nachdruck gereicht hatte, auf ihrer Haut und in ihrem Haar hinterlassen hatten, aber sie fühlte sich auch bis ins Mark bloßgestellt. Fast wie zuletzt während ihrer Reise, als sie seekrank gewesen war.
»Hier ist alles sehr fremd für Sie, nicht wahr?«, kam es behutsam von Frau de Jong. In ihrem Kleid nach europäischer Mode, fußlang und schmal in Creme und Blau, mit enger Taille und ellenbogenlangen, rüschenbesetzten Ärmeln, das Haar zu raffinierten Schlaufen und Kringeln aufgesteckt, wirkte sie auf Jacobina reifer und ernster als tagsüber in Wickelrock und Bluse und auch ein bisschen strenger.
»Ja. Entschuldigung«, murmelte Jacobina; sie fürchtete, sich mit diesem Neuanfang in der Fremde mehr zugemutet zu haben, als sie zu meistern in der Lage war. Und die Angst, sich zu blamieren und womöglich schamgesenkten Hauptes nach Hause zurückkehren zu müssen, war übermächtig.
»Dafür müssen Sie sich doch nicht entschuldigen!«, rief Frau de Jong mit einem herzlichen Lachen aus. »Das geht jedem so. Ich hatte am Anfang auch meine Schwierigkeiten. Sie werden sich schneller daran gewöhnen, als Sie glauben!«
Jacobina nickte; ihre Anspannung ließ ein wenig nach, und sie belud ihre Gabel mit Reis und Gemüse. »Leben Sie schon lange hier?«, fragte sie; gleich darauf schnappte sie verstohlen nach Luft, und ihre Augen wurden
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