Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
feucht, denn das scharf gewürzte Gemüse brannte ihr auf der Zunge.
Frau de Jong nahm ihr Weinglas auf und überlegte. »Sechs Jahre sind es mittlerweile. Bei meinem Mann ist es noch viel länger.« Fragend sah sie Herrn de Jong an.
Der Major, der selbst zum Essen seine Uniform trug, hatte den beiden Frauen mit aufgestützten Ellenbogen und verschränkten Händen zugehört und griff nun wieder zu seinem Besteck. »Mehr als zwanzig Jahre. Als blutjunger Soldat bin ich geradewegs von der Militärakademie nach Ostindien gegangen. Zuerst in den Dschungel von Borneo, um dort gegen die Aufständischen zu kämpfen. Dann ging es fast zehn Jahre zwischen Borneo, Magelang und Batavia hin und her, und danach war ich gut zwei Jahre im Krieg in Atjeh.«
Über die Kämpfe in Atjeh, ein Sultanat an der nördlichen Spitze Sumatras, hatte Jacobina in der Zeitung gelesen, und ihr Vater und Henrik hatten viel darüber diskutiert. Ein blutiger Krieg war es gewesen, in dem die Niederländer in zwei dicht aufeinanderfolgenden Feldzügen Atjeh, strategisch günstig gelegen und reich an Pfeffer und Palmöl, als Teil Niederländisch-Ostindiens beansprucht und schließlich dem Kolonialreich einverleibt hatten. Jüngst erst hatte Julius van der Beek geunkt, dass dieser Krieg noch lange nicht vorbei sei und irgendwann weiteren Blutzoll fordern würde. Mit einem Mann am Tisch zu sitzen, der diese Gefechte hautnah miterlebt hatte, stimmte Jacobina nachdenklich, und sie fragte sich, was Vincent de Jong dort wohl alles gesehen und erlitten hatte.
»Das Militär hat in meiner Familie eine lange Tradition«, fuhr er zwischen zwei Bissen fort. »Haben Sie auch Offiziere in Ihrer Familie?«
Jacobina senkte rasch den Blick auf ihren Teller; es berührte sie unangenehm, dass der Major gerade sein Messer ableckte. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, sowohl die van der Beeks als auch die Steenbrinks, die Familie meiner Mutter, sind alle entweder im Handel tätig oder Bankiers.«
»Bei mir ist es ähnlich«, sagte Frau de Jong. »Mein Vater hatte einen gut gehenden Tuchhandel, bevor er sich zur Ruhe setzte und die Firma verkaufte. Firma Achterkamp in Amsterdam.« Ihr Lächeln hellte sich weiter auf. »Ich komme aus derselben Stadt wie Sie, Fräulein van der Beek! Am liebsten wäre es meinem Vater gewesen, ich hätte einen Nachfolger für die Firma geheiratet, aber ich hatte schon immer eine Schwäche für Männer in Uniform.« Liebevoll, fast bewundernd sah sie den Major an.
»Meine Schwester hat uns miteinander bekannt gemacht, als ich auf Heimaturlaub war«, erzählte Herr de Jong. »Sie war der Ansicht, mit fast vierzig sei es für mich allerhöchste Zeit, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Und ich konnte tatsächlich dieses liebreizende Geschöpf«, er fing den Blick seiner Frau auf und nahm ihre Hand, »dazu überreden, mit mir nach Java zu kommen.«
Frau de Jong lachte. »So viel Überred…« Sie sah Jacobina an. »Heißt das so – Überredungskunst?« Als Jacobina bejahte, fuhr sie fort: »So viel Überredungskunst hat es ja nicht gebraucht.« Verlegen, wie es schien, entzog sie ihm ihre Hand, und der Major bedeutete den im Hintergrund bereitstehenden Bediensteten, den Tisch abzuräumen.
»Da wir es eben von Geschäften und Banken hatten«, ergriff er wieder das Wort. »Ich habe mir überlegt, ob ich nicht in Ihrem Namen ein Konto bei der Javaschen Bank eröffnen und Ihr vereinbartes Gehalt dort einzahlen soll. Mit einer Vollmacht könnten Sie dann jederzeit darüber verfügen, und was Sie nicht gleich brauchen, bekommt noch ein bisschen Zinsen.«
»Das wäre sehr freundlich von Ihnen, vielen Dank«, erwiderte Jacobina glücklich. Ihr erstes eigenes Geld; kein Geld, um das sie bitten oder über das sie Rechenschaft ablegen musste. Und keines, das sie erst mit einer Heirat erhalten und über das dann doch ihr Ehemann verfügen würde.
»Ich hoffe, Sie halten uns nicht für knauserig oder unhöflich«, sagte Frau de Jong, als die Bediensteten Früchte, bunte Süßigkeiten und einen aufgeschnittenen Kuchen zum Dessert servierten und Champagner in die schlanken Kristallflöten einschenkten, »dass wir Ihnen heute nur zwei Gänge anbieten. Sonst gibt es bei uns natürlich immer die üblichen vier bis fünf …«
»Wenn wir zuhause sind«, warf der Major ein, in einem Tonfall, der gleichermaßen amüsiert klang wie eine gewisse Schärfe in sich trug.
Frau de Jong lachte. »Ja, wir sind leider viel unterwegs, vor allem abends. Das
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