Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
schienen sie geradezu einem Modemagazin entstiegen zu sein, ihre Sanduhrfiguren und das Geflatter der Volants, Spitzen und Bänder ein Sinnbild weiblicher Leichtigkeit und Anmut.
Floortje zog Jacobina jedoch einfach mit sich, über die Schwelle der verglasten Sprossentür, die der einheimische Bursche in langen Hosen und uniformähnlicher Jacke mit einer tiefen Verbeugung aufriss und ihnen dann die Sonnenschirme abnahm.
»Guten Tag«, zwitscherte Floortje in den hohen, weiten Raum hinein, der ganz in Weiß gehalten war. Duftige Kleider in Crème und Bleu und eine Abendrobe in Blassrosé waren neben einem hohen Standspiegel auf Schneiderpuppen ausgestellt, und eine Vitrine beherbergte ein Sortiment phantasievoll gestalteter Hüte, die Jacobina auf den ersten Blick an Sahnetörtchen erinnerten. In den Fächern der Rückwand lagerten Tuchballen, fein säuberlich nach Farben und Mustern sortiert, und durch den Türrahmen konnte Jacobina einen Blick in den Nebenraum werfen, in dem in einer Regalwand ebenfalls Stoffballen untergebracht waren, Rolle um Rolle hauchzarten, bestickten Tülls, Georgettes und Chiffons, während der langgezogene, mit Schubladen versehenen Tresen auf Karton aufgewickelte Spitzen und Bänder, aufgezogene Knöpfe und Musterstickereien zur Schau stellte.
Ein fast kahlköpfiger Herr mit dichtem, grauem Schnauzbart sah von den großen Büchern auf dem Geschäftstresen auf und verzog sein gutmütiges Gesicht so schlagartig zu einem Strahlen, dass ihm das mit einer Kette am Hemdknopf befestigte Monokel aus dem Auge fiel.
»Mademoiselle Floortje!«, rief er entzückt und ohne jede Spur eines französischen Akzents aus und eilte auf Floortje zu, dass die Schöße seines Jacketts und die Enden des Maßbands, das um seinen Hemdkragen lag, hinter ihm herwehten. »Welche Freude, dass Sie uns wieder beehren!« Vor Floortje zum Stehen gekommen, machte er einen Diener, hob ihre Rechte zu einem angedeuteten Handkuss an und umschloss dann ihre Finger mit seinen rundlichen Händen. Treuherzig sah er ihr in die Augen. »Waren Sie mit der Wirkung der grünen Robe denn zufrieden?«
»Ich trage sie morgen zum ersten Mal«, erwiderte Floortje und fügte mit einem Seitenblick auf Jacobina hinzu: »Ich bin heute auch gar nicht meinetwegen hier. Darf ich bekanntmachen: meine Freundin, Fräulein van der Beek.«
»Bomberger!«, rief der Herr aus, ließ Floortjes Hand los und ergriff stattdessen mit derselben Begeisterung und einer weiteren Verbeugung die von Jacobina. »Sehr erfreut, Mademoiselle van der Beek, sehr erfreut!« Er richtete sich auf. »Was wünschen Mademoiselle – etwas für den Abend oder für den Tag?«
»Für den Tag«, murmelte Jacobina befangen. »Etwas Leichtes. – Und praktisch soll es sein«, fügte sie hastig hinzu.
»Hübsch«, warf Floortje ein. »Vor allem hübsch!«
»Natürlich, natürlich«, gab Herr Bomberger eifrig zurück und rieb sich die Hände. »Bitte, Mademoiselle, wenn Sie mir folgen wollen«, sagte er zu Jacobina und machte eine einladende Geste in Richtung des Paravents, der einen Winkel des Raumes abteilte. »Dann nehmen wir als Erstes Ihre Maße. – Und wenn Sie bitte so lange Platz nehmen wollen, Mademoiselle«, wandte er sich an Floortje und wies auf den Tisch in der anderen Ecke, zu dem ein Rattansofa und zwei Stühle gehörten und über dem ein punkah hing, der von einem einheimischen Jungen in gleichmäßigem Rhythmus bewegt wurde. »Erfrischungen werden Ihnen gleich serviert.« Über die Schulter hinweg rief Herr Bomberger etwas auf Malaiisch und begleitete Jacobina hinter den Paravent.
Stocksteif stellte sie sich hin und hob und senkte gehorsam nach den Anweisungen Herrn Bombergers die Arme. Die Erinnerung an die Stunden, die sie früher in solchen Modesalons verbracht hatte, hielt sie im Genick gepackt – mit oft ratlosen, manchmal herrschsüchtigen Schneiderinnen, die nicht selten ungnädige Kommentare über Jacobinas Maße abgegeben hatten.
»Mhm«, machte Herr Bomberger, während er mit konzentrierter Miene, das Monokel wieder ins Auge geklemmt, Jacobinas Brust, Taille und Hüfte ausmaß. Als er sich hinkniete, um ihre Rocklänge abzumessen, kam ein »Soso« von ihm und ein »Aha. Ja. Aha«, während er das Maßband an ihrer Schulter anlegte und bis zu den Handgelenken zog. Dann strahlte er Jacobina an, dass ihm das Monokel wieder herabfiel. »Das war’s auch schon, Mademoiselle van der Beek. Bitte, nehmen Sie doch einstweilen bei Mademoiselle Floortje
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