Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Geldscheine im Wert von zwei Monatslöhnen befanden. »Wie lange sind Sie jetzt bei uns?«
»Etwas über ein halbes Jahr.« Die Monate seit ihrer Ankunft waren nur so vorübergeflogen, und trotzdem hatte sie das Gefühl, schon viel länger hier zu sein.
»Herrje, wie die Zeit doch vergeht.« Margaretha de Jong fuhr das Muster am Stiel ihres Weinglases nach, dann sah sie zögernd über das Weihnachtsgesteck, aus dessen schleifengeschmückten Zweigen von Laub- und Nadelbäumen die roten Sternblüten der Poinsettie hervorleuchteten, Jacobina an. »Sie haben doch hoffentlich vor, noch einige Zeit bei uns zu bleiben?«
Jacobinas Stirn zerfurchte sich. »Ja, sicher.«
»Nun, verstehen Sie mich nicht falsch …« Eine verlegene Röte zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. »Natürlich geht uns Ihr Privatleben nichts an.« Jacobinas Herz begann angstvoll zu pochen. »Aber da ja doch so regelmäßig Briefe aus Buitenzorg hier eintreffen und nun auch ein Päckchen zu Weihnachten …« Mit hochgezogenen Brauen und einem vielsagenden Blick ließ Margaretha de Jong ihre Schlussfolgerung unausgesprochen in der Luft hängen.
»Oh«, entfuhr es Jacobina, als sie begriff, und das Blut schoss ihr ins Gesicht. »Nein, wir schreiben uns einfach nur, Herr Molenaar und ich.« Und sie errötete weiter, als ihr bewusst wurde, wie sehr sie sich danach sehnte, dass daraus doch mehr würde.
»Ach so!« Frau de Jong lachte erleichtert auf. »Da bin ich aber froh! Obwohl ich es Ihnen gönnen würde. Wirklich! Jan ist solch ein feiner Mensch. So gebildet. So einfühlsam und verständnisvoll, man fühlt sich unweigerlich gut aufgehoben bei ihm. Und …«
Es klirrte, und ein dumpfer Schlag ließ beide Frauen aufschrecken. Der Major hatte das Besteck auf seinen Teller gepfeffert und mit der Faust auf den Tisch geschlagen. »Schluss jetzt! Verdammt, M’Greet! Kannst du uns nicht wenigstens einen Abend mit deinem unsäglich dummen Geplapper verschonen?« Auf Malaiisch fügte er etwas hinzu, das noch übellauniger klang.
Frau de Jong biss sich auf die Lippen und senkte betreten die Augen, in denen Tränen aufschienen, und Jacobina wusste nicht, wohin sie schauen, und noch weniger, was sie tun sollte. Der Major stand so heftig auf, dass sein Stuhl ins Kippeln geriet. In einem einzigen Zug trank er sein noch fast volles Weinglas aus und knallte es auf den Tisch; mit einem hässlichen Knacken platzte ein Sprung darin auf. »Falls mich jemand suchen sollte – ich bin im Club!«, polterte er und humpelte davon.
Jacobina glaubte, aus dem Ausbruch des Majors Eifersucht auf Jan herausgehört zu haben; ein Gedanke, der ihr heiß in den Magen fuhr und den sie lieber nicht weiterverfolgen mochte. Verstohlen sah sie zu Margaretha de Jong hinüber, die selbst dann noch schön war, wenn sie zusammengesunken auf ihrem Platz saß und mit den Tränen kämpfte. Sie blickte an ihrem eigenen Kleid herab, dem olivgrünen mit den weinroten Ranken, das ihr mit einem Mal langweilig und hausbacken vorkam.
»Entschuldigen Sie vielmals, noni Bina«, flüsterte Frau de Jong schließlich.
»Sie müssen sich nicht …«
»Ich möchte Sie bitten«, fuhr Margaretha de Jong hastig fort, »ein wenig Nachsicht mit meinem Mann zu haben. Er ist derzeit gesundheitlich stark angegriffen. Er hat damals im Krieg Schreckliches durchgemacht, und die langen Jahre hier in den Tropen haben ihn ebenfalls angeschlagen. Trotzdem vermisst er sehr den Dienst im Feld, und das macht ihn manchmal … reizbar.« Sie bemühte sich um ein tapferes Lächeln, das wackelig geriet, und erhob sich. »Fröhliche Weihnachten, noni Bina!«
Jacobina starrte auf die zur Feier des Tages besonders üppig ausgefallene aber kaum angerührte rijsttafel , während sie mit halbem Ohr Margaretha de Jongs Stimme in der Halle lauschte. Ihre Worte und die hektischen Schritte von Dienstboten klangen, als würde sie noch ausgehen, und tatsächlich hörte Jacobina gleich darauf Hufgeklapper und Räderknirschen, das sich näherte, verstummte und erneut einsetzte, um sich dann über die Zufahrt zu entfernen. Danach war es still im Haus.
Nicht zum ersten Mal in den vergangenen Wochen sann Jacobina darüber nach, ob es wirklich Liebe gab, die so leidenschaftlich sein konnte, dass sie jederzeit in Streitbarkeit, vielleicht sogar Gewalt oder Hass umschlagen konnte. Wie all die Male zuvor spürte sie, wie ihr Rückgrat und ihre Schultern sich bei dieser Vorstellung versteiften, während sie unterhalb ihres Brustbeins ein
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