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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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könnte mit Ihnen und den Kindern das kommende Weihnachtsfest verbringen. Da dies nun nicht möglich ist, werde ich in Gedanken bei Ihnen sein, wenn ich das Päckchen öffne, das Sie mir geschickt haben. Obwohl ich mich sonst für einen geduldigen Menschen halte, fällt es mir nicht leicht, tatsächlich bis übermorgen damit zu warten – zumal Ihre Andeutung, auch die Kinder hätten ein Geschenk beigesteuert, meine Neugierde noch weiter angestachelt hat.
    Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Christfest, liebe Jacobina, küssen Sie Jeroen und Ida von mir. Und wer weiß, vielleicht öffnen wir ja am Heiligen Abend zur selben Zeit unsere Päckchen, ich das von Ihnen und Sie das meine, und wir denken dann zur selben Zeit aneinander …
    Jan
    »Das war eine solch reizende Idee, liebe noni Bina!« Margaretha de Jong strahlte Jacobina über den Tisch hinweg an. Der Schein der Kerzenleuchter auf dem Tisch lag schimmernd wie Goldstaub auf ihrem Teint und ihrem aufgesteckten Haar und betonte ihre kräftigen Farben, die dazu noch eine tief ausgeschnittene Robe in Blau, Gold und Weiß hervorhob. Bei jeder ihrer lebhaften Bewegungen funkelten die zarten Ohrgehänge und das schmale Collier um ihren Hals auf, die Jacobina an Schneeflocken erinnerten. Das Weihnachtsgeschenk des Majors an seine Frau; mit verzückten Lauten hatte sie die Samtschatulle geöffnet und sich mit einem innigen Kuss bei ihrem Mann bedankt. »Und die Kinder haben so schön gesungen! Nicht wahr, Vincent?«
    Der Major gab ein zustimmendes Brummen von sich und beschäftigte sich weiter mit der gebratenen Ente auf seinem Teller.
    Es waren wirklich feierliche Momente gewesen, als Jeroen und Ida, in Matrosenanzug und Rüschenkleidchen, neben dem eigens für diesen Anlass in die Eingangshalle gerückten Piano gestanden und Stille Nacht, Heilige Nacht gesungen hatten; Margaretha de Jong hatte sich Tränen der Rührung von den Wangen gewischt, und Jacobina hätte schwören können, dass auch die Augen des Majors einen Wimpernschlag lang feucht geworden waren.
    Jacobina musterte ihn verstohlen, wie er in seiner schwarzblauen Uniform dasaß und an einem Stück Fleisch herumsäbelte. Seit Beginn der Regenzeit hatte er sich stark verändert; die Kerben und Linien in seinem Gesicht hatten sich zu tiefen Furchen eingegraben, und seine Augenpartie sah gleichzeitig zerknittert und angeschwollen aus. Seine Bewegungen wirkten mitunter steif und bemüht, als litte er Schmerzen in den Knochen und Gelenken; manchmal hinkte er beim Gehen ein wenig, und Jacobina hatte hin und wieder einen Muskel in seinem Gesicht aufzucken gesehen, wenn er Ida hochhob oder wenn Jeroen übermütig mit seinem Vater raufte.
    Jedes Mal, wenn sie den Major sah, musste sie daran denken, dass er einen Sohn mit Melati hatte. Einen Sohn, der keine andere Wahl hatte, als um das Haus herumzuschleichen, wenn er Sehnsucht nach seiner Mutter hatte. Der offenbar gar nicht wusste, wer sein Vater war, und auch nicht, dass er hier einen Halbbruder und eine Halbschwester hatte, so wie die beiden auch nichts von seiner Existenz ahnten. Jacobina hatte nur eine vage Vorstellung, was den Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau betraf und wie die Zeugung damit zusammenhing, aber es bestand kein Zweifel, dass Herr de Jong mit Melati diesen Akt vollzogen hatte, kurz vor Jeroens Geburt oder wenig später, und Jacobina drängte sich immer aufs Neue die Frage auf, ob er Melati gezwungen oder ob sie es auch gewollt hatte; schließlich war der Major kein unattraktiver Mann. Innerlich wand sie sich stets vor Verlegenheit, wenn sie sich bei solchen Gedanken ertappte, und doch ließen sie sie einfach nicht los. Ebenso wie die Frage, ob Frau de Jong darüber Bescheid wusste und deshalb derart empfindlich auf die Anwesenheit des Jungen im Garten reagiert hatte – und wenn dem so war, weshalb sie Melati dennoch im Haus behielt und ihr sogar ihre Kinder anvertraute.
    »Wir sind wirklich sehr, sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit«, bekundete Frau de Jong. Wie sehr – das hatte Jacobina ahnen können, als sie ihr Weihnachtsgeschenk ausgepackt hatte: einen Sarong, weich und leicht wie ein Kaschmirschal, der sichtlich teuer gewesen war. Auf dem sahneweißen Grund zeigte er in Rot und Grün Szenen aus dem javanesischen Landleben, und die Kante, die später vorne aufliegen würde, war mit einer zwei Hand breiten Bordüre aus dicht belaubten, üppig blühenden Zweigen verziert; dazu hatte ihr der Major noch einen Umschlag überreicht, in dem sich

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