Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
gezeigt, die am schwarzen, wolkenverhangenen Nachthimmel über dem Koningsplein zerplatzten. Mit großen Augen hatte Ida auf Jacobinas Arm die goldenen und silbernen Bögen und Fäden und die glimmenden Sterne, die herabregneten, bestaunt – und nur manchmal, wenn der Funkenzauber mit allzu lautem Krachen und Donnern einherging, hatte sie die Händchen auf ihre Ohren gedrückt. Und das Lächeln, das Jan ihr unterdessen immer wieder von der Seite her zuwarf, hatte nach und nach Jacobinas Befangenheit zum Tauen gebracht.
Eine gewisse Verlegenheit jedoch blieb, wuchs sogar noch an, je länger sie nun hier mit Jan auf der Veranda saß. In der Stille, die im Haus Einzug gehalten hatte, seit die Kinder nach dem Feuerwerk von Melati zu Bett gebracht worden waren. In einem Schweigen, das Jacobina ebenso behaglich wie beunruhigend vorkam, weil es ihr in Erinnerung rief, wie viel sie in den Briefen an Jan von sich preisgegeben hatte. Viel zu offenherzig kamen ihr diese Zeilen im Rückblick vor, gleichermaßen nichtssagend wie verräterisch; beschämt dachte sie daran, ihm kürzlich sogar über solch heikle Dinge wie Liebe und Ehe geschrieben zu haben, und voller Bangigkeit fragte sie sich, was er nun wohl von ihr halten mochte.
Sie hörte ein Ratschen, und aus den Augenwinkeln sah sie, wie Jan sich auf der anderen Seite des Tischs eine Zigarette anzündete und das Streichholz ausfächelte.
»Es tut gut, wieder hier zu sein«, sagte er leise und blies den Rauch aus.
Jacobina nippte an dem Wein, den Jan für sie beide hatte öffnen lassen, und spürte der schweren Süße nach, die über ihre Zunge hinweg in ihr hinabrann. »Sie kennen die de Jongs wirklich sehr gut, nicht wahr?«
Jan nickte bedächtig. »Vincent und Griet sind meine ältesten und besten Freunde hier auf Java.«
Jacobina trank schnell noch einen Schluck. »Wissen Sie zufällig, wie alt Melati ist?«
Jans Mundwinkel zogen sich abwärts, während er überlegte. »Anfang zwanzig, nehme ich an. Auf jeden Fall einiges jünger als Sie und ich. Genau weiß ich es nicht.« Der grüblerische Kniff über seiner Nasenwurzel vertiefte sich, als er sie ansah. »Warum fragen Sie?«
Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne und rechnete nach. Wenn Melati tatsächlich erst Anfang zwanzig war, dann war sie höchstens sechzehn oder siebzehn gewesen, als sie ihren Sohn zur Welt gebracht hatte. Höchstens. Jacobina lief ein Schauder das Rückgrat hinab. »Ich habe sie neulich mit ihrem Sohn gesehen«, wagte sie sich weiter vor und starrte angestrengt in ihr Weinglas.
»Der kleine Jagat. Ja.« Jan klang ruhig, beinahe nüchtern, und zog an seiner Zigarette. »Der auch Vincents Sohn ist.«
»Sie wissen davon?« Aus großen Augen sah sie ihn an.
»Ja. Natürlich.« Jan blickte belustigt drein, als er ihren schockierten Blick auffing, und beugte sich vor, um die Asche am Rand des Aschenbechers abzustreifen. »Daran ist hier nichts Ungewöhnliches oder Verwerfliches. Es ist kein Geheimnis, aber auch nichts, worüber man viele Worte verliert.« Er zögerte das Hantieren mit seiner Zigarette hinaus und sah Jacobina dann ernst an. »Gestatten Sie mir, darüber ganz offen zu sprechen?« Sie nickte, und er lehnte sich zurück. »Beziehungen zwischen einheimischen Frauen und europäischen Männern sind hier die Regel und nicht die Ausnahme. Den Lebensunterhalt für eine europäische Ehefrau und Kinder zu sichern, mit allem, was hier dazugehört, angefangen bei Haus und Personal, ist für viele der Angestellten auf den Plantagen und in der Verwaltung unbezahlbar, ebenso wie für Offiziere der niedrigen Ränge und einfache Soldaten. So sie denn überhaupt eine Frau zum Heiraten finden. Also«, er zog an seiner Zigarette und stieß den Rauch aus, »holen sie sich eine Einheimische als nyai , die die Unterkunft sauber hält, die Wäsche macht und sich darauf versteht, mit wenig Geld schmackhafte Mahlzeiten zuzubereiten. Von oben«, er wies mit dem Zeigefinger an die Decke der Veranda hinauf, »wird diese Lösung nicht nur geduldet, sondern sogar gefördert. Die nyais sorgen für Beständigkeit und Ordnung im Leben der Junggesellen. Die Erfahrung zeigt, dass die Männer weniger dem Alkohol und dem Spiel zugetan sind, wenn sie eine nyai im Haus haben, und weniger Streit und Prügeleien anzetteln. Und, naja«, er lehnte sich erneut vor, um die Zigarette im Aschenbecher auszudrücken, »dadurch, dass die nyais auch das Bett mit ihnen teilen, hofft man außerdem, Geschlechtskrankheiten
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