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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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einzudämmen, die unter den käuflichen Frauen weit verbreitet sind.« Ein Schatten glitt über sein Gesicht, als er sich wieder zurechtsetzte und die Beine übereinanderschlug.
    Jacobinas Wangen brannten, und das nicht allein, weil sie ihr Glas Wein ausgetrunken hatte, während sie Jan zugehört hatte. Sie nickte, als er mit fragender Miene die Flasche anhob, und hielt ihm das leere Glas hin. »Und … und diese nyais …« Sie tat sich noch immer schwer damit, über solche Dinge zu sprechen. Auch und gerade mit Jan. »Warum … ich meine …«
    »Da will ich nichts beschönigen«, erwiderte er und schenkte sich selbst nach. »Romantische Gefühle dürften da wohl selten eine Rolle spielen. Meistens bleibt ihnen nichts anderes übrig, weil das Leben als nyai alles in allem ein wesentlich besseres ist als eines voll mühseliger Plackerei auf den Feldern oder auf einer Plantage. Als nyai sind sie sowohl materiell wie auch gesellschaftlich besser gestellt, ebenso wie die Kinder, sollten aus einer solchen Beziehung welche hervorgehen. Früher konnten die nyais sogar auf eine Ehe hoffen, mit der sie und ihre Kinder ausgesorgt hätten.« Er trank einen Schluck. »Aber diese Zeiten sind schon lange vorbei. Das wird heute nicht mehr gern gesehen. Die nyais gelten als nicht mehr gut genug, um die Ehefrau eines Niederländers zu sein. Man fürchtet, sie könnten nach und nach die gesellschaftliche Ordnung untergraben. Unsere ach so schöne weiße Insel mit ihren Mischlingskindern «, beinahe zornig spie er dieses Wort aus, »überfremden. Den nyais wird nicht selten angeraten, sich Mittel zu besorgen, die eine Empfängnis verhindern, und ich weiß von einigen, die gezwungen wurden, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.«
    »Das ist abscheulich«, murmelte Jacobina und spülte den schalen Geschmack in ihrem Mund mit einem Schluck Wein hinunter.
    »Die Moral ist hier eine andere als bei uns in den Niederlanden, Jacobina.« Jan drehte sein Glas in den Händen. »Die Europäer hier sind sich dessen bewusst, wie zerbrechlich ihr schönes Leben auf dieser herrlichen weißen Insel ist. Wie sehr sie den Elementen ausgeliefert sind. Sie leben in der ständigen Angst, von der wilden Natur überwältigt und vernichtet zu werden. Deshalb klammern sie sich umso fester an ihre überlegene, sinnenfreudige Lebensart. Und daran, dass die Menschen hier schon auf den ersten Blick gesellschaftlich zuzuordnen sind.« Mit einer Hand deutete er waagerecht aufsteigende Ebenen an. »Die Einheimischen in ihrer Gesamtheit, unabhängig davon, welchem Volk sie tatsächlich angehören. Die Chinesen. Die Peranakans. Die Eurasier. Alle Weißen. Je mehr europäisches Blut sich in das eurasische mischt, desto unschärfer wird die Grenze zwischen letzteren beiden. Und das schafft Probleme. Wann ist dann noch jemand Eurasier, wann schon ein Weißer? Wie muss man dann mit ihm umgehen? Welchen Platz in der Gesellschaft muss man ihm dann zugestehen? Solche Fragen bringen das gesellschaftliche Gefüge ins Wanken, und das macht vielen hier Angst.« Mit nachdenklicher Miene verfiel er in Schweigen und nippte an seinem Wein. Nach einer Weile fügte er leise hinzu: »Denken Sie nicht allzu schlecht über Vincent. Er lebt einfach nur wie alle anderen hier auch.«
    »Aber als der Major und Melati … da war er schon verheiratet!«, entfuhr es Jacobina, durchaus empört.
    »Er war es nicht anders gewohnt«, erwiderte Jan. »Von seinem ersten Jahr an hatte er hier in Ostindien immer eine nyai , gleich, an welchem Ort er seinen Dienst versah. Solche Gewohnheiten legt man nur schwer wieder ab. Zudem«, er stellte das Glas ab, griff zu dem silbernen Etui und zündete sich eine weitere Zigarette an, »zudem ist Vincent nun einmal ein sehr heißblütiger Mensch. Einer, der nicht lange nachdenkt, bevor er etwas tut. Der sich nimmt, was er will. Das Klima hier und seine Erlebnisse im Krieg haben das noch verstärkt.«
    »Weiß Grie… weiß Frau de Jong davon? Von Melati und ihrem Sohn?«
    »Ja.« Er blies den Zigarettenrauch übermäßig heftig aus. »Sie war am Boden zerstört, als sie es herausgefunden hat. Noch mehr aber hat ihr die Mauer des Schweigens zu schaffen gemacht, auf die sie mit diesem Kummer bei ihren Bekannten in Batavia gestoßen ist. Bei den Menschen, die sie für ihre Freunde hielt. Über solche Dinge spricht man hier nicht. Man spricht nicht über nyais oder einheimische Geliebte und den Nachwuchs von gemischtem Blut. Ihr wurde geraten, nicht so viel Wind um

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