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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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eine solche Kleinigkeit zu machen. Denn so wird das hier gesehen: Wenn ein verheirateter Niederländer mit einer Einheimischen fremdgeht, ist das weniger als ein Kavaliersdelikt. Es bedeutet einfach nichts.« Gedankenverloren schnippte er die Asche von sich. »Ich habe damals zwischen den beiden vermittelt. Vincent hat Griet und mir hoch und heilig versprochen, dass es nicht wieder vorkommen würde, und soweit ich weiß, hat er sich bis heute daran gehalten. Melati durfte bleiben, weil sie eine ausgezeichnete babu ist und nicht damit gestraft werden sollte, ihre Arbeit hier zu verlieren. Dafür muss sich aber Jagat vom Grundstück fernhalten; Griet erträgt es nicht, ihn zu sehen.« Jacobina biss sich auf die Unterlippe und sah Jan schuldbewusst an, der ihr aufmunternd zuzwinkerte. »Keine Sorge, ich verrate ihr nichts!«
    Jacobina lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Das kommt mir alles so grausam vor«, murmelte sie und starrte in den Regen hinaus.
    »Das ist es auch«, erwiderte Jan; auch sein Blick war in den Garten hinausgewandert. »Aber wahrscheinlich geht es hier nicht viel grausamer zu als an anderen Orten der Welt. Es ist die Umgebung, die uns etwas Besseres erwarten lässt. Wir glauben uns hier im Paradies, im Garten Eden vor dem Sündenfall. – Können Sie sich vorstellen«, unvermittelt lachte er auf und schüttelte den Kopf, »es ist noch gar nicht so lange her, dass die einheimischen Frauen hier auf Java ohne …« Er verstummte, kratzte sich verlegen unter dem offen stehenden Hemdkragen und schielte zu Jacobina hinüber. »Also«, begann er unter ihrem fragenden Blick mit einem Räuspern erneut, »sie trugen keine Kleidung am Oberkörper.«
    »Oh«, machte Jacobina schnell und ohne weiter nachzudenken. Ihr vom Wein vernebelter Verstand brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen, und unwillkürlich musste sie über sich selbst lachen. »Oh!«
    Auch Jan lachte gedämpft, bevor er den Stummel seiner Zigarette ausdrückte und ernst fortfuhr. »Ich habe oft gedacht, dass dieser Teil der Erde etwas Urweibliches hat. Etwas Verführerisches. Wir sind alle nur Menschen, Jacobina, unvollkommen und fehlbar. Nicht zu Unrecht heißt es, der Geist sei zwar willig, das Fleisch aber schwach. Und gerade uns Männer kann die üppige Sinnlichkeit der Tropen zuweilen sehr schwach werden lassen.«
    Etwas in seinem Tonfall, das gleichermaßen sehnsüchtig wie zerknirscht klang, ließ sie aufhorchen, und ihr Magen ballte sich zusammen. Hastig trank sie einen großen Schluck, um sich Mut zu machen. »Haben … haben Sie auch …« Sie brachte es nicht über sich, die Frage auszusprechen, die ihr auf der Seele lag, aber Jan hatte sie dennoch verstanden.
    Er stellte beide Beine fest auf den Steinboden, neigte sich vor und ließ die Unterarme locker auf den Knien ruhen.
    »Ja«, sagte er schließlich, ohne Jacobina anzusehen. »Ich bin nicht stolz darauf, aber ich habe mir auch nichts vorzuwerfen. Denke ich zumindest.« Er verschränkte seine Finger und rieb die Handflächen gegeneinander. »Sie wissen ja, wie ich aufgewachsen bin.«
    Jacobina erinnerte sich gut daran, was er ihr über seine Kindheit und Jugend als Sohn eines Pastors in einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Den Haag geschrieben hatte. Dieselbe unterkühlte Nüchternheit war darin angeklungen wie die, die im Hause van der Beek herrschte; eine ganz ähnliche Art von Stolz und der gleiche Anspruch an die Kinder, niemals von dem ihnen vorgezeichneten Weg abzuweichen und vor allem niemals zu versagen.
    »Und dann«, fuhr er fort, löste seine Finger und wies in den Garten hinaus, »kam ich hierher. Mit noch nicht einmal zweiundzwanzig und völlig unbedarft, nachdem ich fast mein ganzes Leben ausschließlich über den Büchern verbracht hatte. Aus unseren steifen, langweiligen Niederlanden – hierher. Mitten hinein in diese leuchtenden Farben, in diese Fülle an Blüten und Früchten und Grün. In diese ursprüngliche Landschaft zwischen Ozean und Vulkanen. Die Sprache, die Gesichter der Einheimischen, ihre Art, sich zu bewegen und zu kleiden, die Gewürze, das Essen – das hat auf der Stelle meine Sinne betört. Hier ist alles so üppig und wild und exotisch. So … so schön .« Mit gespreizten Händen fuhr er sich durch das Haar. »Dann war ich noch bis über beide Ohren in Griet verschossen, ohne dass ich wusste, wie ich damit umgehen sollte, und dazu gab mir mein Lehrer noch den Rat, ich solle Malaiisch und Javanesisch lernen, wie es alle tun. Im besten

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