Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Schulzimmer, das es hier gibt, dem unter dem weißen Moskitonetz.« Er knetete seine Hände. »Siti hieß sie, und sie machte die Wäsche im Haus. Ich habe sie zu nichts gezwungen und zu nichts gedrängt, sie hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass sie mich auch mag. Eine Zeit lang war ich im siebten Himmel, aber irgendwann habe ich es dann doch beendet. Es kam mir irgendwie nicht recht vor. Als ob ich nur nehmen und nichts geben würde. Und ich wollte auch nicht weiter das Glück herausfordern, dass dieses Verhältnis bislang ohne Folgen geblieben war. Vor allem …« Seine Stirn zerfurchte sich, und er fuhr sich mit abgespreiztem Daumen und Zeigefinger über den Bart. »Vor allem ist mir irgendwann klar geworden, dass ich das lieber mit der Frau erleben möchte, die mein Leben mit mir teilt. Die meine Muttersprache spricht, weil mir die immer noch näher ist als Malaiisch oder Javanesisch. Eine Frau, die versteht, wo ich herkomme und was mich geprägt hat.« Jans Stimme war immer leiser geworden, bis er nur noch flüsterte. »Mit der mich mehr verbindet als nur ein körperlicher Rausch.«
Er atmete tief durch und stand auf; Jacobina sah ihm zu, wie er zu einer der Säulen hinüberging, sich mit dem Rücken daran anlehnte und die Hände in die Hosentaschen steckte. Den Kopf gesenkt, scharrte er mit der Schuhspitze über den Steinboden. »Verurteilen Sie mich jetzt?«
Jacobina ließ sich Zeit mit ihrer Antwort, während sie Schluck um Schluck ihr Glas leerte. Sie wusste, dass Männer gewisse körperliche Bedürfnisse hatten, das war ihre Natur; Bedürfnisse, die Frauen fremd waren. Ihre Mutter hatte hin und wieder Andeutungen fallengelassen, wenn diese auch nur sehr vage gehalten waren. Die Klagen, die Betje, Johanna, Jette und Henny untereinander angestimmt hatten, waren da schon etwas detaillierter gewesen und so vertraulich, als wäre Jacobina gar nicht anwesend; bis dann einer von ihnen eingefallen war, dass ihre Freundin ja noch unverheiratet war, und sie mit vielsagenden Blicken rasch das Thema wechselten, sodass Jacobina sich nur noch mehr ausgeschlossen fühlte.
»Nein, ich verurteile Sie keineswegs«, erwiderte sie schließlich.
Jan stieß hörbar den Atem aus. »Da bin ich erleichtert. Es ist nämlich so, dass …« Er räusperte sich. »Ihre Briefe in der letzten Zeit haben mir viel bedeutet.« Und kaum noch hörbar vor dem Rauschen des Regens fügte er hinzu: » Sie bedeuten mir viel, Jacobina.«
Ihr Herz machte einen Sprung, und gleichzeitig spürte sie den Dorn, den seine offenen Worte in ihr hinterlassen hatten. Sein Geständnis, vor einigen Jahren selbst eine einheimische Geliebte gehabt zu haben, wog nichts im Vergleich zu seinem Bekenntnis, nicht nur freundschaftliche Gefühle für Margaretha de Jong zu hegen. Wie sie es all die Zeit vermutet hatte.
»Wussten Sie«, ergriff er wieder das Wort, »dass wir das chinesische Jahr der Wasserziege haben? Angeblich ein Jahr der Dürre und ein Jahr, in dem es im Inneren der Erde besonders heftig gärt. Aber wenn ich daran denke, dass wir dieses Jahr bislang kaum nennenswerte Erdbeben hatten, und mir das da draußen so anschaue …«
Jacobina hatte ihm nur mit halbem Ohr zugehört; Tränen waren ihr in die Augen gestiegen, während ihr Mund wie ausgedörrt war. Sie konnte Jan nur noch verschwommen erkennen, wie er sich mit einer Hand an der Säule abstützte und abwechselnd zwischen ihr und dem Garten hin und her blickte. Ein Flämmchen flackerte in ihrer Magengegend auf und wuchs rasch zu einem kleinen Feuer an; sie musste Gewissheit haben.
Sie schüttete die Neige in ihrem Glas die Kehle hinab und schluckte schwer daran. »Empfinden Sie noch etwas für sie?«, flüsterte sie und blinzelte die Tränen weg, so gut es ging.
»Für Griet?« Jan verzog den Mund und klopfte mit der flachen Hand gegen die Säule. »Ich mag sie immer noch sehr. Ich bewundere sie, wie sie das alles meistert. Das Leben hier, all die gesellschaftlichen Verpflichtungen, die für eine Frau in ihrer Position einfach dazugehören. Und wie sie mit Vincents Eigenarten und Temperament umzugehen versteht. Das ist weiß Gott nicht immer einfach.« Mit der Schulter lehnte er sich gegen die Säule und kreuzte ein Bein vors andere. »Ich habe einige Zeit gebraucht, um zu verstehen, dass das damals nichts anderes war als die Schwärmerei eines dummen Jungen, der es nicht besser wusste. Genauso gut hätte ich eine Eule sein können, die den Mond begehrt, wie man hier sagt. Griet und
Weitere Kostenlose Bücher