Das Herz der Hoelle
bin schon zu spät dran. Heute ist Sonntag.« Er lächelte bemüht. »Da haben Priester viel zu tun! Morgens die Messe und nachmittags das Fußballspiel!«
Wie um ihm recht zu geben, läuteten die Kirchenglocken. Er griff nach seiner Schale und seinem Teller. Ich sagte:
»Lassen Sie nur. Ich kümmere mich darum.«
Er bedankte sich bei mir mit einem Kopfnicken und verschwand, die Tür hinter sich zuschlagend. Der Priester spielte nicht mit offenen Karten. Er sagte die Wahrheit, aber auf seinen Worten lag irgendein Schatten.
Ich räumte Besteck und Teller in den Geschirrspüler. Die ideale Arbeit, um sich seinen Gedanken zu überlassen. Ich spürte, dass es jenseits der Tatsachen noch eine tiefere Wahrheit gab. Teufelslegenden spielten bei den beiden Morden eine Rolle, dessen war ich sicher. Der Mörder hatte sich davon inspirieren lassen. Vielleicht handelte er sogar unter dem Einfluss dieser Legenden über diabolische Uhren …
Nach einer eiskalten Dusche im Umkleideraum des Schlafsaals steckte ich die Audiokassette und das Buch mit den Legenden aus dem Jura in meine Tasche, schnallte sie zu und verstaute sie im Kofferraum meines Wagens. Ein überstürzter Aufbruch wäre nicht ausgeschlossen. In Kürze würde mich Stéphane Sarrazin gewaltsam hinauswerfen.
8 Uhr
Ein bisschen früh, um meine Telefonate zu tätigen, vor allem an einem Sonntag, aber mir blieb nichts anderes übrig. Ich ging um das Pfarrhaus herum, zündete eine Zigarette an und vertrat mir auf dem Baskettballfeld die Füße.
Erster Anruf: Foucault. Keine Antwort. Weder auf dem Handy noch bei seinem Privatanschluss. Ich versuchte es bei Svendsen. Das Gleiche. Mist. Ich würde auf meinen Fragen und meinen neuen Spuren sitzenbleiben. In der Kälte zitternd, schlug ich in meinem Taschenkalender nach und rief einen alten Bekannten an. Dreimaliges Läuten und endlich jemand, der abhob. Als er meine Stimme erkannte, brach er in Gelächter aus:
»Durey? Was verschafft mir die zweifelhafte Ehre?«
»Eine Recherche. Supereilig.«
»An einem Sonntag? Noch immer der alte Stöberhund, wie ich sehe.«
»Kannst du oder nicht?«
Jacques Demy war ein Jahrgangskamerad und ein Genie der Finanzpolizei, wo man ihn »Kalkulator« nannte.
»Ich höre.«
»Überprüf die Konten einer Französin, die in der Schweiz gearbeitet hat und letzten Juni gestorben ist. Ist das möglich?«
»Alles ist möglich.«
»Selbst an einem Sonntag?«
»Computer machen keinen Urlaub. Befindet sich die Bank in Frankreich oder in der Schweiz?«
»Das musst du herausfinden.«
Ich nannte ihm den Namen und sagte ihm alles, was ich wusste.
»Was suchst du?«
»Sie hat vielleicht seit mehreren Jahren regelmäßig Überweisungen getätigt.«
»An wen?«
»Das möchte ich wissen.«
»Gib mir wenigstens einen Anhaltspunkt.«
Ich äußerte meine Vermutung, die nur auf meinem Bauchgefühl beruhte:
»Ich denke an eine Detektei oder einen einzelnen Privatdetektiv.«
»Ich vermute, ich soll es bis gestern rausfinden?«
Ich dachte an Stéphane Sarrazin, der mich vermutlich schon auf der Dienststelle der Gendarmerie erwartete. Ich bejahte. Kalkulator versetzte:
»Ich ruf dich so schnell wie möglich an.«
Dieses erste Telefonat gab mir wieder Kraft, sodass ich mir jetzt ein zweites, schwierigeres zutraute. Laure Soubeyras.
»Du hast gestern nicht angerufen«, antwortete sie.
Ihre Stimme war belegt, schläfrig.
»Wie geht es ihm?«
»Unverändert.«
»Und dir?«
»Genauso.«
»Was sagen die Kinder?«
»Sie fragen mich, wann Papa zurückkommt.«
Ich hörte das Geräusch von Bettzeug, das Klirren eines Glases. Ich hatte sie aufgeweckt. Sie musste ganz benommen von Schlaftabletten und Beruhigungsmitteln sein.
»Unternimmst du heute was mit ihnen?«, fragte ich.
»Was soll ich mit ihnen unternehmen? Ich bringe sie zu meinen Eltern und gehe ins Krankenhaus.«
Schweigen. Ich hätte ein paar tröstende Worte an sie richten können, aber ich wollte nicht mit hohlen Phrasen spielen.
»Und du?«, fuhr sie fort. »Wo bist du?«
»Ich folge seinen Spuren. Im Jura.«
»Was hast du herausgefunden?«
»Noch nichts, aber ich bin ihm auf den Fersen.«
»Du hast gesehen, wohin ihn das geführt hat
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