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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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einstürzten.
       Mir schwirrte der Kopf. Sylvie Simonis, die ihr eigenes Kind getötet hatte. Die doppelte Identität von Sarrazin-Longhini. Die Ermordung Sylvies. Ein identisches Verbrechen in Italien und eine Täterin, die gestanden hatte. Und jetzt diese Killer … Das reine Chaos, in dem jede Antwort eine neue Frage aufwarf.
       An einem Detail blieb ich hängen. Aus einem spontanen Impuls heraus wählte ich die Nummer von Marilyne Rosarias, der Leiterin der Bienfaisance-Stiftung. 7.45 Uhr. Die Philippinin durfte ihr Morgengebet beendet haben.
       »Wer spricht da?«
       Eine Stimme voller Misstrauen und Feindseligkeit.
       »Mathieu Durey«, sagte ich, mich räuspernd. »Der Polizist. Der Spezialist.«
       »Ihre Stimme hört sich seltsam an. Halten Sie sich noch immer in der Gegend auf?«
       »Ich musste wegfahren. Sie haben mir das letzte Mal nicht alles gesagt.«
       »Wollen Sie damit sagen, ich hätte Sie angelogen?«
       »Sie haben mir etwas verschwiegen, Sie haben mir nicht gesagt, dass Sylvie Simonis nach dem Tod ihrer Tochter im Jahr 1988 in Bienfaisance Trost suchte.«
       »Wir sind zu Vertraulichkeit verpflichtet.«
       »Wie lange ist sie in der Stiftung geblieben?«
       »Drei Monate. Sie kam abends. Morgens fuhr sie dann zur Arbeit.«
       »In die Schweiz?«
       »Was wollen Sie denn noch wissen?«
       Plötzlich war ich mir sicher, dass Marilyne über den Kindsmord Bescheid wusste. Entweder Sylvie hatte sich ihr anvertraut, oder sie hatte die Wahrheit erraten. Ich legte einen Köder aus:
       »Vielleicht versuchte sie, ihre Vergehen zu vergessen.«
       Schweigen. Dann sprach Marilyne mit tieferer Stimme weiter:
       »Ihr wurde vergeben.«
       »Wovon sprechen Sie?«
       »Was immer sie getan haben mag, sie hat Gott um Vergebung angefleht, und ihre Bitte wurde erhört.«
       »Sind Sie die Pressesprecherin des Fegefeuers?«
       »Machen Sie keine Witze. Sylvie wurde vergeben. Ich habe den Beweis dafür, verstehen Sie?«
       Ich sah etwa fünfhundert Meter entfernt eine graue Limousine Marke Fiat auftauchen, die kaum in einem besseren Zustand war als mein ramponierter Wagen. Meine Eskorte.
       »Ich werde Sie noch einmal aufsuchen«, kündigte ich ihr an.
       »Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Aber ich werde für Ihr Seelenheil beten. Sie haben zu viel Wut im Bauch, um diese Geschichte zu verstehen. Sie müssen vollkommen rein sein, wenn Sie es mit dem Feind aufnehmen wollen, der Sie erwartet.«
       »Was für ein Feind?«
       »Sie wissen es genau.«
       Sie legte wieder auf. Der Fiat war da. Der Kontakt mit den italienischen Polizisten beschränkte sich auf ein Minimum. Die beiden Männer waren mit Sicherheit instruiert worden. Kein Wort über den Zustand meines Wagens. Und auch nicht darüber, dass ich mich ein paar Kilometer vor der Grenze verirrt hatte. Ich nahm meine Reisetasche und verabschiedete mich von meinem Wagen, wobei ich kurz mitfühlend an meine Versicherung dachte. Ich würde ihn gestohlen melden, ohne mich mit den Details aufzuhalten.
       Wir passierten problemlos den italienischen Grenzposten. Ich hatte es mir auf dem Rücksitz bequem gemacht und betrachtete die Landschaft. Sie sah genauso aus wie auf der Schweizer Seite, aber ich hatte das Gefühl, das italienische Spiegelbild der Berge, die ich bei Tagesanbruch bewundert hatte, zu sehen. Sturzbäche grüßten mich, und an die Stelle der Tunnels traten Brücken, die in immer kürzerem Abstand aufeinanderfolgten. Hohe Hängebrücken, Betonkolosse, die aus Wasser emporragten, spitz zulaufende Bögen aus Faserbündeln … Mein Kopf war leer. Ich spürte nur noch das dumpfe Pulsieren meines geschundenen Leibs. Wenig später schlief ich ein.
       Als ich wieder aufwachte, hatten wir gerade Varese hinter uns gelassen. Keine Sturzbäche und keine Tannen mehr. Wir rasten über die Autobahn A8. Die lang gestreckte lombardische Ebene auf dem Weg nach Mailand.
       Um 10.30 Uhr gelangten wir zu den Vororten. Dichter Verkehr. Meine Begleiter verzichteten auf Blaulicht. Ruhig, schweigsam, undurchdringlich – sie erinnerten mich an die Leibwächter, denen ich bei meiner ersten Reise nach Mailand begegnet war und die die Richter der Operation Mani pulite beschützten.
       Mailand blieb meinen Erinnerungen treu.
       Eine flache, regelmäßige Stadt, dunkel und hell zugleich. Eine leichte Nostalgie schwebte über den Avenuen, die nicht der Liebe

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