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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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eines gigantischen weichgekochten Eies erinnerte. Ringsherum durchzuckten Lichtprojektionen, Feuerteilchen, glühende Lavaspritzer, wie von einem Katapult abgeschossen, den Himmel. Die Lava ergoss sich über die Hänge, langsam, mächtig, unaufhaltsam.
       Ich war wie hypnotisiert. Diese Eruption war wie ein Vorzeichen. Der Odem des Teufels empfing mich. Ich dachte an folgende Stelle aus der Offenbarung des Johannes:
       Der zweite Engel blies seine Posaune.
       Da wurde etwas, das einem großen brennenden Berg glich, ins Meer geworfen.
       In den schwarzen Rauchschwaden, die dem Krater entwichen, zeichnete sich ein Gesicht ab. Das entstellte Gesicht Pazuzus mit gefletschten Zähnen, blutunterlaufenen Augen. In den wallenden Dämpfen schnitt der Schwarze Engel eine Grimasse und streckte mir die Zunge heraus. Eine pechschwarze, rissige Zunge, die die Flammen des Vulkans aufleckte und mich lockte, näher zu kommen, bis ich in den Schlund des Kraters stürzte.

KAPITEL 57
    Beim Aufwachen am nächsten Morgen schaltete ich den Fernseher ein. Ich musste nicht lange herumsuchen, um Neuigkeiten über den Vulkan zu erfahren. Die Lava breitete sich weiter aus. An der Nordflanke hatte sich der Strom auf einer Breite von 400 Metern bis auf 1500 Meter hinabgewälzt. Der Pinienwald von Linguaglossa brannte lichterloh, während Löschflugzeuge die Bäume mit Wasser besprühten, in dem Bestreben, die Katastrophe hinauszuzögern. Im Süden war der Lavastrom mittlerweile über einen Kilometer breit. Wegen des Ascheregens musste Sapienza evakuiert werden. Auf beiden Seiten des Berges hatten Bulldozer Erdwälle errichtet, um den Strom abzubremsen, während seine Ränder mit Wasser bespritzt und so in zwei erstarrte Bollwerke verwandelt wurden.
       Fantastische Bilder. Glutströme, die mit einer Geschwindigkeit von mehreren Metern pro Sekunde die Hänge hinabsausten. Das schmelzflüssige Magma wälzte sich talwärts wie eine gigantische Schlange, die über klirrende und knallende Glasscherben kroch und Lavageysire in die Finsternis spuckte.
       Es war 7 Uhr morgens. Es war noch dunkel. Ich machte die Lampe am Kopfende an und betrachtete das Zimmer. Ein winziges Gelass, das durch die Motive auf der Tapete noch kleiner wurde. Das Bett stieß an den Fernseher, der seinerseits die Vorhänge der Fenstertür berührte, die zum Bad ging.
       Ich trat hinaus auf den Balkon. Meine Bude war im vierten Stock. Ein herrlicher Blick über die Dächer von Catania, die im Blau des Morgengrauens sichtbar wurden. Die Antennen und Gewölbe glichen den Lanzen und Schilden einer vorrückenden Armee. Die bereits erhellten Fenster erinnerten an die gelbbraunen Kästchen eines Adventskalenders.
       Ich zündete mir eine Camel an (ich hatte mich am Flughafen eingedeckt) und genoss den wunderschönen Anblick. Catania kannte ich zwar nicht, dafür aber Palermo. Ich wusste, dass Sizilien nicht bloß ein abgetrennter Teil Italiens ist, sondern eine uralte Welt für sich, voller Würde und Schweigen. Ein Welt von steinerner Kargheit, wild, losgelöst, sonnenverbrannt und gewalttätig.
       Ich beschloss, außerhalb zu frühstücken, um mich mit der Stadt vertraut zu machen. Doch zunächst setzte ich meine zweite Automatik zusammen, eine Glock, die ich zerlegt hatte, um unbemerkt durch die Sicherheitskontrollen am Flughafen zu gelangen (die Metalldetektoren schlugen bei dieser Waffe aus Kunststoff nicht an), dann steckte ich sie in ihr Futteral aus schwarzem Cordura.
       Im Foyer der Pension waren Reporterteams. Fotografen überprüften ihre Apparate. Kameraleute steckten Batterien in ihre Taschen, als wäre es Munition. Journalisten kämpften am Telefon um Passierscheine.
       Draußen dagegen war alles ruhig. Im Morgengrauen schienen die Verzierungen an den Fassaden, Portalen und Balkonen die schmalen Gassen zu erdrücken. Zu diesem überladenen Dekor kamen die Autos, die Stoßstange an Stoßstange auf den Gehsteigen, dicht an den Mauern, parkten und die Parkverbotsschilder förmlich verhöhnten.
       Ich entdeckte eine Trattoria mit gefärbten Scheiben. Ein schwarzer Kaffee stretto und ein mit Marmelade gefülltes Croissant verschafften mir einen klaren Kopf. Als Erstes wollte ich zur Questura fahren. Ich hoffte, dass mir Michele Geppu genauere Auskünfte über den Fall Gedda geben und mir vielleicht ein Gespräch mit Agostina im Gefängnis von Malaspina vermitteln würde. Anschließend wollte ich in Zeitungsarchiven nach Artikeln

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