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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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ist.«
       Er wischte meine Entschuldigung mit einer wohlwollenden Geste beiseite.
       »Folgen Sie mir. Seine Eminenz möchte Sie in der Bibliothek empfangen.«
       Wir gingen durch den Hof in das gegenüberliegende Gebäude. In der Tür trat Rutherford zur Seite.
       » Prego. «
       Der Schatten und die Frische des Marmors empfingen uns. Rutherford schloss eine Tür auf und schlüpfte in einen weiß-grauen Gang hinein. Ich folgte ihm auf dem Fuß. Sonnenstrahlen fielen zwischen den schwarzen Fensterkreuzen hindurch. Wir waren allein. Ich erwartete, dass die blank geputzten Schuhe meines Führers quietschen würden, aber nein: Er machte beim Gehen nicht das leiseste Geräusch. Ein Blick: Er trug Todds aus weichem Wildleder, die ungefähr die gleiche Farbe wie seine Haare hatten.
       Wie Petrus besaß auch Rutherford die Schlüssel zum Paradies. An jeder Tür hantierte er an seinem Schlüsselbund und führte treffsicher den passenden Schlüssel ins Schloss. Ich wagte eine Frage:
       »Was ist der genaue Rang Seiner Eminenz?«
       »Sie ersuchen um eine Unterredung, ohne das zu wissen?«
       »Monsignore Corsi in Catania hat mir lediglich seinen Namen genannt und dann noch hinzugefügt, dass Seine Eminenz mir bei meinen Nachforschungen behilflich sein könnte.«
       »Kardinal Van Dieterling ist eine der führenden Persönlichkeiten der Glaubenskongregation.«
       Das war die neue, vom Zweiten Vatikanischen Konzil eingeführte Bezeichnung für das Heilige Offizium. Die Nachfahren der Inquisitionstribunale und Scheiterhaufen. Die Glaubens- und Sittenrichter. Diejenigen, die tagtäglich über die Grenze zwischen dem Guten und Bösen, der Rechtgläubigkeit und dem Irrglauben entschieden. Diejenigen, die Abtrünnige und Abweichungen von der katholischen Linie verfolgten. Und der Fall Agostina war eindeutig eine solche Abweichung.
       Neue Schlüssel, neue Säle, deren Mauern große farbige Fresken trugen. Gemalte Brunnen, blumenumrankte Holzgitter, Heiligenfiguren. Diese Gemälde erinnerten in ihrer pastellenen Zartheit an die Mosaiken antiker römischer Villen.
       »Was für ein Landsmann ist Casimir van Dieterling?«, fragte ich weiter.
       »Man merkt, dass Sie Polizist sind«, meinte der Präfekt lächelnd. »Sie wollen alles wissen. Seine Eminenz stammt aus Flandern. Wir müssen weiter hinaufgehen und den Salone Sistino durchqueren, um den Lesern auszuweichen.«
       »Sind um diese Uhrzeit denn schon Leser in der Bibliothek?«
       »Einige Seminaristen. Sie haben eine Ausnahmegenehmigung.«
       Er ließ seinen Schlüsselbund noch einmal klirren. Eine Treppe. Noch eine Tür, und der Salone Sistino, auch »Großer sixtinischer Saal« genannt, lag mit seinen sechs reich mit Malereien verzierten Säulen und seinen beiden Schiffen im goldenen Morgenglanz majestätisch vor uns. Die Fresken an den Wänden erschöpften das Auge vor lauter Zierstreifen, Details und Figuren. Es gab nicht eine Stelle an der Decke, die unbemalt gewesen wäre. Das Blau der Gewölbe kontrastierte mit der goldbraunen Umgebung.
       »Sie kennen diesen Saal, nicht wahr?«
       Ich nickte. Ich hätte jeden Ort, jede Szene, die auf den Wandgemälden abgebildet war, aus dem Gedächtnis aufsagen können. Die Vorläufer der Vatikanischen Bibliothek seit der Antike, die ökumenischen Konzile, die Episoden des Pontifikats von Sixtus V. Und auf jedem Wandpfeiler die realen oder mythischen Erfinder der Schrift. Ich war auf dem Weg in den Lesesaal hunderte Male durch diese Räumlichkeiten gegangen.
       Wir durchquerten den menschenleeren Raum und kamen in der Mitte an riesigen Porzellanvasen mit Blau- und Goldgrund, an Kruzifixen und Bronzekandelabern, an Schalen aus glänzendem Stein vorbei. Ich sah durch die großen Fenster links in den Hof des Belvedere.
       Am Ende des Saals öffnete Rutherford eine weitere Tür.
       »Wir können wieder hinuntergehen.«
       All diese Vorsichtsmaßnahmen deuteten auf ein Geheimtreffen hin. Ein Stockwerk tiefer öffnete sich ein weiterer Raum voller Karteischränke mit kleinen etikettierten Schubladen. Rutherford ging um einen der Schränke herum. Als er die Hand hob, um an Dieterlings Tür zu klopfen, stellte ich eine letzte Frage:
       »Wissen Sie, wieso Seine Eminenz damit einverstanden war, mich so kurzfristig zu treffen?«
       »Das wissen Sie doch, oder?«
       »Ich habe eine Vermutung, aber hat er Ihnen nichts gesagt?«
       Er klopfte

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