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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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lächelnd. Dann blickte er auf die Akte in meinen Händen:
       »Sie besitzen etwas, was ihn interessiert.«

KAPITEL 66
    Kardinal Casimir van Dieterling stand am Fenster eines geräumigen Büros, das mit Fotokopiergeräten und grünen Pflanzen vollgestellt war. Ein Tisch war überladen mit Akten, Zetteln und Büchern. Zweifellos das Büro des Präfekten Rutherford selbst. Dieser Raum bestätigte meine Befürchtungen: Die Unterredung fand unter größter Geheimhaltung statt.
       Der Mann trug das gewöhnliche Habit der Generäle des Vatikans. Schwarzer Talar mit roten Knöpfen unter einer Mantelletta mit scharlachrotem Saum; Gürtel aus kaiserlichem Purpur; Seidenkalotte auf dem Hinterkopf, ebenfalls rot. Selbst in dieser Alltagskleidung wirkte der Kleriker nicht so grobschlächtig wie der Erzbischof von Catania. Ich bewegte mich jetzt im innersten Zirkel der katholischen Aristokratie.
       Nach einigen Sekunden geruhte der Kardinal, sich mir zuzuwenden. Er war ein Hüne – genauso groß wie ich. Sein Alter war schwer zu schätzen: zwischen fünfzig und siebzig Jahren. Ein langes, herrisches Gesicht, wie rot gegerbt vom Seewind. Er glich einem Iren: grobes Kinn, helle Augen unter niedrigen Brauen, Schultern, mit denen er in den Gassen von Cork Fässer hätte heben können.
       »Man hat mir gesagt, dass Sie das Seminar besucht haben.«
       Ich begriff die Botschaft. Ich musste das Spiel nach den Regeln spielen. Ich näherte mich und beugte ein Knie zu Boden.
       » Laudeatur Jesus Christus, Eminenz …«
       Ich küsste den Kardinalsring an der Hand, die mir der Kirchenmann hinhielt. Er machte ein Kreuzzeichen über meiner Stirn und fragte dann:
       »Welches Seminar?«
       »Das Französische Seminar in Rom«, sagte ich im Aufstehen.
       »Weshalb haben Sie Ihre Ausbildung nicht abgeschlossen?«
       Er sprach Französisch mit leichtem flämischem Akzent. Seine Stimme war dunkel, seine Aussprache aber präzise, wenn auch langsam. Er spießte die Silben wie kleine Happen mit einem Zahnstocher auf. Ich antwortete respektvoll:
       »Ich wollte an der Basis arbeiten.«
       »Was für einer Basis?«
       »Der Straße, der Nacht. Dort, wo Laster und Gewalttätigkeit regieren. Dort, wo Gott vollkommen schweigt.«
       Der Kardinal stand im Halbprofil zu mir. Seine Schultern und sein scharlachroter Nacken glänzten in der Sonne. Seine türkisblauen Augen funkelten im Gegenlicht:
       »Das Schweigen Gottes ereignet sich im Innern des Menschen, fürchte ich. Dort müssen wir ansetzen.«
       Ich nickte zustimmend. Dennoch antwortete ich:
       »Ich wollte dort arbeiten, wo dieses Schweigen Taten hervorbringt. Ich wollte dort handeln, wo das Schweigen unseres Herrn dem Bösen freie Hand lässt.«
       Der Kardinal drehte sich wieder zum Fenster um. Seine langen Finger klopften gegen den Fensterrahmen.
       »Ich habe mich über Sie kundig gemacht, Mathieu. Sie spielen den Bescheidenen, aber Sie trachten nach dem Höchsten: der Opferung. Sie haben sich selbst Gewalt angetan. Sie sind das genaue Gegenteil von dem geworden, der Sie wirklich sind. Und Sie empfinden eine heimliche Befriedigung dabei. Diese Rolle eines Märtyrers ist eine Sünde des Hochmuts!«
       Die Unterredung wurde zu einem Prozess. Ich war nicht gewillt, mir das bieten zu lassen.
       »Ich mache meine Arbeit als Polizist so gut es geht, das ist alles.«
       Der Kardinal machte eine Geste, die bedeutete: »Lassen wir das.« Er wandte sich mir zu. Er trug sein Brustkreuz wie alle Würdenträger des Heiligen Stuhls: an einer Kette, die jedoch an einem der Samtknöpfe hochgehängt war und auf der schwarzen Robe zwei geschmeidige Bögen beschrieb. Dieses Kruzifix allein war eine Zeremonie für sich.
       »In Ihrem Brief erwähnen Sie ein Dossier …«
       Ich hielt ihm die kartonierte Aktenmappe hin. Ohne ein Wort zu sagen, blätterte er sie durch. Er nahm sich die Zeit, einige Absätze zu lesen und die Fotos zu betrachten. Kein Ausdruck auf seinem Gesicht. Nur der Fall Simonis schien ihn zu interessieren. Schließlich sagte er, während er die Dokumente auf seinen Schreibtisch legte:
       »Nehmen Sie bitte Platz.«
       Mehr ein Befehl als eine Einladung. Ich folgte der Aufforderung, während er sich hinter den Schreibtisch setzte. Er faltete die Hände:
       »Sie haben gute Arbeit geleistet, Mathieu. Es fehlen uns hier Ermittler von Ihrem Kaliber. Wir sind zu sehr damit beschäftigt, uns

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