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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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gleich platzen. Mein Gesicht war überzogen von einem eisigen Firnis – einem Firnis des Todes.
       Ich verharrte lange Minuten auf den Knien, wie gelähmt und benebelt. Schließlich stand ich auf und betrachtete die Leiche. Sie lag mit gekreuzten Armen auf dem Rücken, fünf Meter weiter unten. Die zurückgeschlagene Kapuze enthüllte ein dickes Gesicht, das von einem kurzen Bart umgeben war. Die Schnittwunde am Hals glich einer schauerlichen schwarzen Halskette. Mein Messer war im Fallen abgebrochen.
       Während meine Schläfen pochten, dämmerte es mir langsam.
       Auch diesen Mann kannte ich.
       Richard Moraz, der erste Verdächtige im Fall Manon Simonis.
       Der Mann mit den Kreuzworträtseln. »Wir sehen uns wieder«, hatte ich ihm in dem bayerischen Gasthaus gesagt. Und so war es gekommen. An allen Fingern trug er Ringe. Sie hatten mir in der Sonne die Blinksignale gegeben.
       An seinem linken Mittelfinger bemerkte ich einen eigentümlichen Siegelring.
       Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Cazeviel hatte am gleichen Finger ebenfalls einen Siegelring getragen. Ein Halseisen mit einem horizontalen Stift an einer Kette. Ich ging näher heran und betrachtete den Ring. Genau das gleiche Symbol, plastisch in Gold herausgearbeitet.
       Ich schob den rechten Ärmel der Leiche zurück, um ganz sicherzugehen – der Arm trug einen Verband. Ich riss ihn herunter: eine etwa zehn Zentimeter lange glatte Schnittwunde. Es war also tatsächlich der Fettwanst, den Cazeviel im Gewühl der Museen des Vatikans mit seinem Messer verletzt hatte.
       Ich hatte soeben den zweiten Teil meines Problems erledigt.
       Jenes Problems, das am Simplonpass begonnen hatte.

KAPITEL 75
    Eine Landschaft, die der Winter versengt hatte. Nackte Bäume, die verkohlt aussahen. Felder aus Schwarzerde, umgepflügt wie Gräber. Ein weißer Himmel, der ein grelles, radioaktives Licht abstrahlte.
       Vor diesem düsteren Hintergrund ging ich ein paar Schritte zurück und betrachtete den Baum, der einsam an der Spitze der Anhöhe stand. Ein Gefangener der Erde, der sich zum Himmel reckte und vor Kälte versteinert war. Ich dachte an meine eigene Situation. Ein Toter am Boden, die Wahrheit darüber und ich zwischen den beiden.
       Schon seit einiger Zeit führte ich die Ermittlungen nicht mehr.
       Sie führten mich – direkt in die Hölle.
       Ich beschloss zu beten. Für Moraz, der zweifellos mit dem Geheimnis der Lichtlosen und dem Fall Manon Simonis in Verbindung stand, und für Buchholz, das unschuldige Opfer, dessen Fluch bis zum Schluss Agostina Gedda geheißen hatte.
       Dann stieg ich mit wackligen Beinen den Hang hinunter. Die Wüste, die mich umgab, hatte nur einen Vorteil: Es war kein einziger Zeuge zu sehen. Ich ging zurück in Buchholz’ Haus und holte meinen Regenmantel, der in der Diele hing. Unwillkürlich warf ich einen Blick in das verwüstete Zimmer, in dem der Leichnam des Arztes lag. Ich rekonstruierte im Geiste meine Bewegungen im Haus, um sicherzugehen, dass ich nicht die geringste Spur hinterlassen hatte.
       Mit über die Hand gekrempeltem Ärmel zog ich die Eingangstür zu.
       Ich brachte zwanzig Kilometer zwischen mich und den Ort des Gemetzels und hielt dann in einem Gehölz. Dort nahm ich ein sauberes Hemd aus meiner Tasche und zog mich um. Meine Schulter schmerzte, aber die Verletzung war oberflächlich. Ich schichtete das Hemd, die Krawatte und das Sakko, die allesamt blutverklebt waren, zusammen mit dem abgebrochenen Messer, das ich gesichert hatte, zu einem Haufen und zündete alles an. Zuerst schwelte das Feuer nur schwach. Ich qualmte nebenbei eine Zigarette. Als nur noch etwas Asche und die Klinge des Messers übrig waren, grub ich ein Loch und verscharrte die Überreste meines Verbrechens.
       Ich ging zurück zum Auto. Es war 17 Uhr. Ich beschloss, in Pau ein Hotel zu suchen. Schlafen und Vergessen, das war das Einzige, was ich jetzt wollte.
       Ich fuhr zunächst Richtung Lourdes und dann über die D940 nach Norden, um auf die Pyrenäen-Autobahn zu gelangen. Unterwegs rief ich aus einer Telefonzelle die Gendarmerie an, um sie über die Todesfälle zu informieren.
       Am Lenker meines Wagens murmelte ich wieder ein Gebet. Diesmal für mich. Das Miserere, Psalm 51 Davids. Mein dröhnender Schädel war löchrig wie ein Schwamm, und ich konnte mir den Text nicht vollständig ins Gedächtnis zurückrufen. Doch schon bald drängten sich die

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