Das Herz der Hoelle
mir?«
»Wegen Ihres Freundes.«
»Welches Freundes?«
»Des französischen Polizisten. Er hat mir gesagt, dass Sie kommen würden.«
Luc war mir also auch hier zuvorgekommen. Und er war überzeugt davon, dass ich seinen Spuren folgen würde. Hatte er seinen Selbstmord von langer Hand geplant? Ich tastete meinen Mantel ab. Sein zerknittertes Foto noch in der Tasche.
»Meinen Sie diesen Mann?«
»Luc Soubeyras, ja.«
»Haben Sie ihm alles erzählt?«
»Das brauchte ich nicht. Das meiste wusste er schon.«
»Wusste er auch, dass Manon am Leben war?«
»Ja. Er war ihr auf den Fersen.«
Nur eine Person konnte für diesen Wissensvorsprung verantwortlich sein: Sarrazin. Der Gendarm hatte ihm diese Informationen geliefert. Wieso ihm und nicht mir? Hatte Luc etwas zu bieten, oder hatte er ein Druckmittel gegen den Gendarmen in Händen gehabt?
»Was hat er Ihnen noch gesagt?«
»Hirnrissiges Zeugs. Er war, wie soll ich sagen … exaltiert.«
»In welchem Sinne?«
»Wenn ich mir erlauben darf: Sie machen einen nervösen Eindruck auf mich, aber bei Ihrem Freund grenzte das schon ans Pathologische. Er behauptete, Manon sei durch ein Wunder von einer Krankheit geheilt worden. Und auch noch durch den Teufel! Wie ein anderes kleines Mädchen in Sizilien.«
»Was halten Sie davon?«
Beltreïn lachte spöttisch:
»Ich kann solche Dinge nicht hören. Ich habe mein Berufsleben einer einzigartigen Methode der Wiederbelebung gewidmet. Ich habe meine ganzen Fähigkeiten, all meine Kenntnisse nicht deshalb in diese Forschungen gesteckt, damit man meine Erfolge auf abergläubische Praktiken oder sogenannte Wunder zurückführt!«
»Hat Luc Ihnen von Nahtod-Erfahrungen erzählt?«
»Natürlich. Ihm zufolge war der Teufel mit Manon während ihres Komas in Verbindung getreten.«
»Was halten Sie als Wissenschaftler von dieser Hypothese?«
»Sie ist absurd. Es lässt sich nicht bestreiten, dass es Nahtod-Erfahrungen gibt. Aber diese Erlebnisse haben nichts Übernatürliches oder Rätselhaftes an sich. Ein banales biochemisches Phänomen. Eine Art von Gehirnflimmern.«
»Wie meinen Sie das?«
»Die Nahtod-Erfahrungen werden durch progressiven Sauerstoffmangel im Gehirn ausgelöst. An der Schwelle des Todes wird das Gehirn nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Daraufhin kommt es zur massiven Freisetzung des Neurotransmitters Glutamat. Man vermutet, dass das Gehirn auf diese Sättigung reagiert, indem es eine andere Substanz freisetzt, die den ›Flash‹ auslöst.«
»Was für eine Substanz?«
»Das wissen wir nicht. Aber Forscher gehen dem nach. Eines Tages werden wir die Antwort wissen. Jedenfalls handelt es sich nicht um eine metaphysische Heimsuchung, weder durch Gott noch durch den Teufel, noch durch einen Poltergeist.«
Die Erklärung Beltreïns war beruhigend. Aber ich konnte ihr nicht hundertprozentig zustimmen. Alle mystischen Offenbarungen hätten in der gleichen Weise erklärt werden können, durch Freisetzungen und Verschmelzungen von chemischen Stoffen. Das nahm ihnen nichts von ihrer Wirklichkeit und ihrer Erhabenheit. Der Arzt sagte abschließend:
»Luc Soubeyras hat mir gesagt, dass sich etwas Schlimmes ereignet hätte, wenn Sie kämen. Was ist geschehen?«
Eine weitere Bestätigung: Luc hatte alles vorhergesehen. Als er Beltreïn aufgesucht hatte, wusste er bereits, dass er Selbstmord begehen wollte. Oder befürchtete er nur, von den Leuten ausgeschaltet zu werden, die auch mich umzubringen versucht hatten?
»Luc Soubeyras hat versucht, sich das Leben zu nehmen.«
»Hat er es überlebt?«
»Es ist unglaublich, aber er wurde durch Ihr Verfahren gerettet. Er hat sich in der Nähe von Chartres ertränkt. Der Notarzt hat ihn in ein Krankenhaus transportieren lassen, das über eine Herz-Lungen-Maschine verfügt. Dort wurde Ihr Verfahren angewandt. Gegenwärtig liegt er im Koma.«
Beltreïn nahm seine Brille ab. Er massierte sich die Lider, und ich konnte seine Augen nicht sehen. Als er seine Hand sinken ließ, hatte er die Brille schon wieder aufgesetzt. Er murmelte mit nachdenklicher Stimme:
»Außergewöhnlich, in der Tat … Er war dermaßen angetan von der Geschichte Manons. Und dann wurde er auf die gleiche Weise gerettet. Das ist doch eine fantastische Wendung in Ihrem Fall, oder?«
Ohne zu
Weitere Kostenlose Bücher