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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Jahr zuvor in meiner Abteilung gearbeitet. Er kannte mein Spezialgebiet.«
       »Und was genau ist Ihr Spezialgebiet?«
       Von Anfang an hatte ich nicht verstanden, was ein Herzchirurg mit der Wiederbelebung zu tun hatte.
       »Die Hypothermie«, antwortete Beltreïn. »Seit fast dreißig Jahren interessiere ich mich für die physiologischen Erscheinungen, die durch Unterkühlung hervorgerufen werden, etwa die nachlassende Durchblutung des Körpers. Aber kehren wir zurück zu Manon. Dieser Mann, Boroni, wusste, dass im Fall einer starken Unterkühlung eine – wenn auch sehr geringe – Aussicht auf Wiederbelebung besteht, auch wenn der Patient bereits klinisch tot ist. Boroni ist daher so vorgegangen, als wäre das Kind noch am Leben. Er hat den Hubschrauber gerufen, der sich an der Suche beteiligte, und mich am UKV kontaktiert. Wenn man die Transportzeit mit berücksichtigte, würde der Körper mindestens sechzig Minuten lang nicht mit Sauerstoff versorgt. Was unsere Chancen auf null reduzierte. Dennoch würde es sich lohnen, meine Methode auszuprobieren. Wissen Sie, was eine Herz-Lungen-Maschine ist?«
       Der Name weckte vage Erinnerungen in mir. Beltreïn fuhr fort:
       »In jedem Operationstrakt steht eine Herz-Lungen-Maschine zur Verfügung, mit der man das Blut von Patienten vor einem großen chirurgischen Eingriff abkühlt. Dabei wird dem Kranken laufend Blut entnommen, das um ein paar Grad gekühlt und ihm anschließend wieder zugeführt wird. Dieses Verfahren wird mehrmals wiederholt, bis man eine künstliche Unterkühlung erreicht hat.«
       Meine Erinnerung wurde deutlicher. Die gleiche Maschine war eingesetzt worden, um Luc zu retten. Eine unglaubliche Ironie der Geschichte. Ich fuhr fort:
       »Sie verfolgten mit dem Einsatz der Maschine den umgekehrten Zweck, nämlich das Blut des Kindes zu erwärmen.«
       »Genau. Ich hatte dieses Experiment 1978 schon einmal bei einem kleinen Jungen durchgeführt, der erstickt war. Mit diesem Verfahren konnte ich ihn wiederbeleben. In den achtziger Jahren habe ich diese Methode dann mehrfach angewandt. Heute ist es ein weltweit gängiges Verfahren, das ich erfunden habe.« Er lächelte stolz.
       Er schwieg eine Zeit lang, damit ich auch die ganze Größe seines Genies ermessen konnte, und fuhr dann fort:
       »Das Blut Manons strömte ein erstes Mal durch die Maschine, wo es mit Sauerstoff angereichert, aber nicht erwärmt wurde. Dann wurde das Blut zurück in ihren Körper gepumpt. Dann haben wir einen weiteren Zyklus probiert, diesmal mit siebenundzwanzig Grad, dann noch einen mit neunundzwanzig Grad … Als wir fünfunddreißig Grad erreichten, war auf den Monitoren ein Zeichen zu sehen. Nach einem weiteren Durchlauf zeigten die Bildschirme an, dass die Herztätigkeit wieder eingesetzt hatte. Bei siebenunddreißig Grad schlug das Herz dann regelmäßig. Manon, die fast eine Stunde lang klinisch tot gewesen war, war wieder zum Leben erwacht.«
       Die Erklärungen Beltreïns fügten sich nahtlos in mein rationales Weltbild ein. Zum ersten Mal erzählte man mir nicht von einem Wunder, weder einem göttlichen noch einem teuflischen. Nur von einer medizinischen Meisterleistung. Der Arzt schien meine Gedanken zu lesen:
       »Die Reanimation Manons schien an ein Wunder zu grenzen. In Wirklichkeit lässt sie sich durch das Zusammenwirken dreier günstiger Faktoren erklären, die alle mit dem Alter des kleinen Mädchens zusammenhingen.«
       »Welche Faktoren?«
       »Zunächst einmal ihre Größe und ihr Gewicht. Manon war ein schmächtiges Kind. Sie wog nur fünfzehn Kilo. Aufgrund dieses geringen Gewichts ist ihr Körper schlagartig ausgekühlt, sozusagen in einen Winterschlaf gefallen. Der Herzschlag verlangsamte sich – von achtzig auf vierzig Schläge pro Minute. Auch die biochemischen Reaktionen verlangsamten sich. Der Sauerstoffverbrauch der Zellen ging erheblich zurück. Das ist der entscheidende Punkt. Denn aus diesem Grund konnte das Gehirn sozusagen auf Sparflamme weiterarbeiten, obwohl es nicht mehr durchblutet war.«
       Beltreïn war so richtig in Fahrt. Dennoch unterbrach ich ihn:
       »Sie sprechen von einem Körper, der mit verminderter Energie funktionierte. Aber Manon war doch ertrunken, oder? Ihre Lungen mussten voller Wasser sein.«
       »Eben nicht. Das ist der zweite positive Faktor. Das kleine Mädchen war erstickt, nicht ertrunken. Nicht ein Tropfen Wasser war in ihre Lunge

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