Das Herz der Hoelle
erwacht war?«
»Völlig verwandelt. Nichts deutete mehr auf eine Besessenheit hin. Aber man musste weiterhin auf der Hut sein. Erinnern Sie sich an das Buch Hiob? Dort spricht Satan: › Die Erde habe ich durchstreift, hin und her. ‹ Der Teufel ist immer da, er liegt auf der Lauer.«
Jetzt die entscheidende Frage:
»Wo ist Manon heute?«
»Sie lebt in Lausanne.«
»Nein. Ich meine: Wo hält sie sich augenblicklich auf?«
»Wohnt sie etwa nicht mehr dort?«
Sie verstellte sich nicht. Eine weitere Sackgasse. Ich probierte es anders:
»Haben Sie Manon gut gekannt?«
»Ich habe sie gelegentlich in Lausanne besucht. Sie wollte nicht mehr nach Frankreich kommen.«
»Begab sie sich manchmal an einen anderen Ort? Ein Landhaus? Zu Freunden?«
»Manon verreiste nicht. Manon hatte vor allem Angst.«
»Hatte sie vielleicht einen Verlobten?«
»Das weiß ich nicht.«
Ich machte eine Pause, der Brutalität meiner letzten Frage vorgreifend:
»Glauben Sie, dass sie imstande gewesen wäre, ihre Mutter umzubringen?«
»Sie kennen den Schuldigen. Es ist Satan. Er ist zurückgekehrt, um sich zu rächen.«
»Mithilfe von Manon?«
»Ich weiß es nicht. Ich will nichts wissen. Das müssen Sie herausfinden. Sie müssen das Tier auf dem Grund der Seelen vernichten.«
»Ich rufe Sie wieder an.«
Ich drehte den Zündschlüssel und suchte den Weg ins Stadtzentrum, wo sich die Zweitwohnung Manons befand. Nach einigen Minuten vibrierte mein Handy. Ich sah auf das Display. Die Privatnummer von Luc. Ich kam nicht dazu, mich zu melden.
»Ich muss dich unbedingt sehen. Es eilt.«
Die hastige Stimme Laures. Ich glaubte schon an das Schlimmste.
»Was ist los? Ist Luc …?«
»Nein, sein Zustand ist nach wie vor unverändert. Aber ich will dir etwas zeigen.«
»Sag schon.«
»Nicht am Telefon. Ich muss dich sehen. Wo bist du?«
»Ich bin nicht in Paris.«
»Um wie viel Uhr kannst du bei mir sein?«
Ihr Ton verriet, dass es wirklich dringend war. Ich überlegte. Manon hatte keine Spuren hinterlassen. Die Durchsuchung ihrer Wohnung würde nichts bringen. Es war 14.40 Uhr.
»Ich kann am Abend bei dir sein.«
»Ich warte auf dich.«
Unter dem bewölkten Himmel raste ich zum Hauptbahnhof und stellte dort mein Mietauto ab. Um 15.20 Uhr fuhr ein TGV nach Paris. Ich kaufte einen Fahrschein und zog mich in die Erste Klasse zurück. Ich fürchtete mich vor dieser Fahrt. Meine Zwangsvorstellungen würden mich wieder heimsuchen. Ich kauerte mich auf meinen Sitz und konzentrierte mich auf die Erklärungen Beltreïns. Ja, die Wiederbelebung Manons war ein Wunder, aber ihr Retter hatte nichts Göttliches und nichts Teuflisches an sich. Er trug eine getönte Brille und Stan Smith.
Während ich über diesen Gedanken brütete, dämmerte ich schließlich weg. Als ich aufwachte, waren wir nur noch eine halbe Stunde von Paris entfernt. Meine Ängste tauchten gleich wieder auf. Der Gedanke an Manon ließ mir keine Ruhe. Engel oder Teufel? Ich konnte diese Frage nicht so stehen lassen. Ich musste sie mit allen Mitteln aufspüren.
Gare de Lyon, 19 Uhr
Ich eilte in das Büro einer Autovermietung und entschied mich für einen Audi A3, mit dem ich mich auskannte. Richtung: Rue Changarnier in der Nähe der Porte de Vincennes.
Es war nicht so kalt wie in Lausanne, aber ein heftiger Schauer prasselte auf den Asphalt.
Als mir Laure die Tür öffnete, erschrak ich. Innerhalb von acht Tagen hatte sie mehrere Kilo verloren. Ihr ganzer Körper wirkte wie verbrannt, wie ausgezehrt unter einer aschgrauen Haut.
»Ich habe die Kleinen zu Bett gebracht. Komm rein.«
Helle Holztäfelung, Nippsachen, Bücher: Alles war wie immer. Der Geruch von Wachs und Desinfektionsmitteln ebenfalls. Ich ließ mich auf dem Sofa nieder. Laure hatte Kaffee gemacht. Sie servierte ihn unter ruckartigen Bewegungen. Während ich nach meiner Tasse griff, verschwand sie. Als sie zurückkam, hielt sie einen festen Umschlag in der Hand, in dem sich Gegenstände abzeichneten. Sie legte ihn auf den niedrigen Tisch und setzte sich dann mir gegenüber.
»Ich habe beschlossen, das Haus in Vernay zu verkaufen.«
»Darf ich rauchen?«, fragte ich.
»Nein.« Sie legte die flachen Hände auf den Tisch. »Hör zu. Gestern bin ich dorthin gefahren, um
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