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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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nichts erinnerte, konnte alles wieder von vorn beginnen. Auch hier der Finger Gottes …
       Beltreïn fuhr fort, als hätte er meine Gedanken gelesen:
       »Als ich Manons Mutter mitteilte, dass es uns gelungen sei, ihre Tochter wiederzubeleben, fasste sie einen merkwürdigen Entschluss. Sie wollte nicht, dass es bekannt wurde. Vielleicht fürchtete sie eine anhaltende Bedrohung durch den Mörder. Oder den Medienrummel, ich weiß es nicht. Jedenfalls sind wir mit dem Richter, der Staatsanwaltschaft und den Ermittlern übereingekommen, das Ereignis nicht bekannt zu geben.«
       »Ich habe in Sartuis nachgeforscht, aber keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass sie dort ein geheimes Leben geführt hätte.«
       »Aus gutem Grund. Manon ist hier in der Schweiz geblieben. Ihre Großeltern sind nach Lausanne gezogen.«
       »Sie meinen die Eltern Frédérics, des Vaters von Manon?«
       »Ja, ich glaube, dass Sylvie, die Mutter, Waise war.«
       Die Banküberweisungen in die Schweiz. Die Großeltern, reiche Industrielle, brauchten dieses Geld nicht, aber Sylvie wollte jeden Monat Unterhalt bezahlen. Nach und nach fügten sich die Puzzleteile zusammen.
       »Sind Sie mit Manon in Kontakt geblieben?«
       »Ich habe sie nie aus den Augen verloren.«
       »Was hat sie gemacht? Ich meine: Was für ein Leben hat sie geführt?«
       »Ein ganz gewöhnliches Leben. Eine Schweizer Jugend voller Lebensfreude. Manon ist die Fröhlichkeit in Person.«
       »Hat sie studiert?«
       »Biologie, in Lausanne. Sie macht gegenwärtig ihren Magister.«
       Ich spürte ein Stechen in der Brust. Beltreïn sprach von Manon Simonis in der Gegenwart. Die junge Frau lebte, atmete, lachte irgendwo. Aber ich hatte eine düstere Ahnung.
       »Wo ist sie heute?«
       Der Arzt stand, ohne zu antworten, auf und trat ans Fenster. Ich sagte noch einmal, mit veränderter Stimme:
       »Wo ist sie? Kann ich sie sehen?«
       Beltreïn schob mit dem Zeigefinger die Brille zurück und wandte sich mir zu.
       »Genau das ist das Problem. Manon ist verschwunden.«
       Ich sprang von meinem Stuhl auf.
       »Wann?«
       »Nach dem Tod ihrer Mutter. Letzten Juni. Manon wurde von französischen Gendarmen vernommen, dann hat sie sich in Luft aufgelöst.«
       Kaum aufgetaucht, entwischte mir das Phantom abermals. Ungläubig setzte ich mich wieder hin:
       »Sie haben nichts mehr von ihr gehört?«
       »Nein. Der Mord an ihrer Mutter hat das Grauen ihrer Kindheit Wiederaufleben lassen. Sie ist geflohen.«
       »Ich muss sie ausfindig machen. Unbedingt! Haben Sie eine Spur, einen Anhaltspunkt?«
       »Nichts. Ich kann Ihnen nur den Namen nennen, unter dem sie in der Schweiz lebt, und ihre Adresse in Lausanne.«
       »Sie hat einen anderen Namen angenommen?«
       »Natürlich. Nach ihrer Wiederbelebung wollte ihre Mutter, dass sie wieder bei null anfängt.« Er schrieb etwas auf seinen Rezeptblock. »Seit vierzehn Jahren heißt Manon Simonis Manon Viatte. Aber diese Auskünfte werden Ihnen nicht weiterhelfen. Ich kenne sie gut. Sie ist zu intelligent, um sich erwischen zu lassen.«
       Ich steckte den Zettel mit den Daten ein. Das Profil Manons passte nicht zu den Porträts der anderen Lichtlosen. Auf den ersten Blick hatte diese junge Frau keine düstere, böse Seite.
       »Haben Sie ein Foto von ihr? Ein aktuelles Foto?«
       »Nein. Ich habe Ihnen gesagt, dass Manon ein normales Leben führte. Aber das ist nicht ganz richtig. Sie hat in ständiger Angst vor demjenigen gelebt, der sie in ihrer Kindheit umzubringen versuchte. Sie hat hier in Lausanne mehrere Psychotherapien gemacht. Sie war sensibel und verwundbar. Sehr sensibel. Ihre Mutter und ihre Großeltern beschützten sie. Als Manon volljährig wurde, stellte sie sich auf eigene Füße, aber sie war weiterhin sehr wachsam. Selbst bei ganz kurzen Reisen hat sie überzogene Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Ihre Wohnung war ein Panzerschrank. Und sie mied Fotoapparate wie die Pest. Sie wollte nicht, dass ihr Gesicht irgendwo in der Öffentlichkeit erschien. Sie wollte keine Spuren hinterlassen. Nie. Das ist schade.« Er machte eine Pause. »Ich vermisse sie heute sehr.«
       Zurück zum Ausgangspunkt, wieder einmal.
       »Weshalb haben Sie mir das alles erzählt?«, fragte ich erstaunt. »Ich habe Ihnen nicht einmal meinen Dienstausweis gezeigt.«
       »Vertrauen.«
       »Wieso vertrauen Sie

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