Das Herz der Hoelle
und seiner Tätigkeit als Polizist!«
Den Umschlag unter den Arm geklemmt, stand ich meinerseits auf und ging zur Tür.
»Du hast mir nicht gesagt, wie es ihm geht.«
»Keine Veränderung.«
Sie schwieg kurz, in der Tür stehend. Ihre Augen waren wieder trocken. Jetzt verzehrte die Wut sie von Kopf bis Fuß.
»Nach Aussage der Ärzte kann es Jahre dauern oder morgen zu Ende sein.« Sie wischte sich die Hände an ihrem Rock ab. »Damit muss ich leben!«
Ich zermarterte mir das Gehirn, um ein paar tröstende Worte zu finden. Vergeblich. Ich verabschiedete mich kurz und verschwand im Treppenhaus.
Ich blieb im Regen vor meinem Wagen stehen. Ein Blatt Papier steckte gefaltet unter einem der Scheibenwischer. Ich sah mich um: Die Straße war menschenleer. Ich zog das Blatt heraus.
»Treffen in der polnischen katholischen Mission, 263 bis, Rue Saint-Honoré. Um 22 Uhr.«
Ich las den Satz mehrfach und verarbeitete ihn allmählich. Ein Treffen in einer polnischen Kirche. Eine Falle? Ich musterte die Handschrift: regelmäßige Grund- und Aufstriche, eine sichere, ruhige Handschrift. Keinerlei Ähnlichkeit mit dem »Ich habe dich erwartet« und dem »Nur du und ich« meines Teufels.
Es war nach 20 Uhr. Ich steckte das Blatt ein und stieg in den Wagen. Eine halbe Stunde später war ich in meiner Wohnung. Ich hatte seit einer Woche keinen Fuß mehr in sie gesetzt, aber ich empfand nicht die mindeste Entspannung. Meine Gedanken kreisten um ein und dieselbe Frage. Wer hatte diese Botschaft geschrieben? Ich dachte an Cazeviel, an Moraz. Ein dritter Killer?
Nachdem ich mich geduscht und rasiert hatte, zog ich einen Anzug an. Als ich meine Krawatte band, kam mir eine Idee. Eine Idee, die sogleich die Kraft einer Gewissheit bekam.
Manon Simonis persönlich hatte sich mit mir verabredet.
Sie hatte mich aufgespürt, war mir gefolgt, vielleicht in der Schweiz, vielleicht andernorts. Jetzt wollte sie mich treffen. Dieser Gedanke, der durch nichts belegt war und mich dennoch mit der Wucht eines Aha-Erlebnisses traf, erregte mich auf seltsame Weise. Trotz des Albtraums, der kein Ende nehmen wollte, trotz der Leichen, die sich ansammelten, und der Verdachtsmomente, die die junge Frau belasteten, konnte ich es kaum erwarten, sie kennenzulernen.
Ich nahm meine Waffe und vergewisserte mich, dass die Patronenkammer leer und die Sicherung gedrückt war. Ich befestigte das Gürtelholster auf der Linken, sodass der Kolben, wie gewöhnlich, nach rechts zeigte, und schlug dann die Schoßteile meines Jacketts darüber. Ich schaltete die Lampen aus und betrachtete durch das Fenster die glänzende Straße, die von den Lichtern verziert wurde.
Eine Camel, eine Wolke gegen die Scheibe.
Ich konnte es nicht mehr erwarten, die zweiundzwanzigjährige Manon Simonis zu treffen, die den Aufenthalt in der Vorhölle überlebt hatte.
KAPITEL 81
In der Rue Saint-Honoré auf der Höhe von Hausnummer 263 drängten sich Luxusboutiquen, vor denen jedoch gerade Straßenbauarbeiten im Gange waren. In diesem Durcheinander gebrauchte die polnische Kirche ihre Ellbogen, um sich an der Ecke der Rue Cambon zu behaupten.
Ich parkte auf einem Zebrastreifen und lief dann zwischen den vibrierenden Pfützen hindurch. Es schüttete wieder wie aus Kübeln. Ich nahm die Stufen, die zum Portal der Kirche führten, mit wenigen Sätzen und schüttelte mich. Das Gebäude war düster und schmutzig. Die funkelnden, bunten Luxusauslagen ringsherum schienen dem Gotteshaus einen missbilligenden Blick zuzuwerfen und die Kirche noch tiefer in ihren Schmutz hineinzudrücken. Ihr Portalvorbau glich einer verbrannten Säulenhalle mit wackligen Pfeilern. Das Regenwasser sammelte sich zwischen den schlecht behauenen Steinplatten.
Trotz der Uhrzeit herrschte noch eine gewisse Betriebsamkeit. Männer mit finsteren Gesichtern flüsterten auf Polnisch, die Hände in den Taschen, die Mützen tief in die Stirn gezogen – zweifellos illegale Polen auf der Suche nach einer Schwarzarbeit. Eine Nonne, deren cremefarbener Schleier in der Dunkelheit wallte, steckte gewissenhaft kleine Anzeigen mit Nadeln in einer Vitrine fest.
Ich drückte die Holztür auf.
Ich durchmaß den kleinen Vorraum und stemmte mich gegen die nächste Tür.
Die Kirche war rund und schwarz. Das Hauptschiff und der Chor bildeten ein großes Oval, in das die Lüster tief herabhingen –
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