Das Herz der Hoelle
schmiedeeiserne Kränze, auf denen getönte Glaslampen mit einem matten bernsteinfarbenen Licht steckten. Ich musste mehrmals zwinkern, um mich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Bänke durchzogen den Raum in schrägen Reihen bis zum Hauptaltar, der nicht mehr war als eine niedrige Stufe mit einem massiven Kreuz darüber, ein paar Kerzen und einem rätselhaften großen Gemälde. Rechter Hand, aus der Tiefe der Apsis, flackerte das rote Nachtlicht des Allerheiligsten. Alles wirkte vage, unbestimmt, wie schwebend in der Finsternis, in der es nach Weihrauch und verwesten Blumen roch.
Ich tauchte die Fingerspitzen in das Weihwasserbecken ein, bekreuzigte mich und machte einige Schritte. Im fahlen Lichtschein der Lüster sah ich die Gemälde an den Mauern. Die Heiligen, Engel, Märtyrer hatten keine Gesichter, aber die Rahmen aus Altgold, die im Kerzenlicht aufflammten, schienen sich auf schwachem Feuer zu verzehren. Hoch oben, unter der Kuppel, sah man Kirchenfenster schwach leuchten. Der Regen prasselte gegen die Scheiben und die Bleieinfassungen und vermittelte das Gefühl einer erdrückenden Feuchtigkeit.
Niemand zu sehen.
Kein einziger Gläubiger auf den Bänken, kein Pilger am Fuß des Altars. Und, vor allem, keine Manon. Ich sah auf meine Uhr: 22 Uhr. Wie sah sie wohl aus? Ich erinnerte mich an die Porträtaufnahmen des kleinen Mädchens. Hellblond, unsichtbare Brauen und Wimpern. Hatte sie noch immer das Aussehen eines Albino-Kinds? Mir kamen keine Bilder. Aber eine dumpfe Erregung pochte in meinen Adern.
Zu meiner Linken knarrte Holz.
Jemand bewegte sich auf der ersten Bank. Ich erkannte graues Haar, gedrungene Schultern – und einen weißen Kragen. Ein Priester. Ich näherte mich ihm. Und hielt sogleich inne, erstaunt über die Vollkommenheit des Bilds.
Der Mann kniete nieder, seine Schultern schlossen nahtlos an die Rückenlehne der Bank an, sein silbern glänzender Nacken war nach vorn gebeugt, wie um einen Ritterschlag zu empfangen. Ich betrachtete nicht bloß einen Kirchenmann beim Gebet, sondern, wie mir schien, auch einen Kämpfer. Einen jener polnischen Soldatenpriester, die die fernen Erben der Kreuzritterorden waren. Ein Harter, ein Reiner, der aus uralten Zeiten stammte.
Nachdem er sich bekreuzigt hatte, stand er auf und ging durch den Mittelgang. Im Halbdunkel erkannte ich sein Gesicht und wich vor Überraschung einen Schritt zurück. Ich kannte diesen Mann.
Es war der Priester in Zivil, der mir bei der Messe für Luc aufgefallen war.
Der Mann, dem Doudou den Federkasten aus schwarzem Holz überreicht hatte.
Der Mann, der sich verkehrt herum bekreuzigt hatte.
Ich wollte unauffällig zurückweichen, um mich zu verbergen, aber er hatte mich bereits gesehen. Ohne zu zögern, kam er auf mich zu. Sein Gesicht mit den kräftigen Kinnbacken passte zu seinen athletischen Schultern, die in einem schwarzen Jackett steckten.
»Sie sind also gekommen.«
Er sprach mit der klaren Stimme eines Geistlichen, ohne den geringsten Akzent.
»Haben Sie sich mit mir verabredet?«, fragte ich verdutzt.
»Wer sonst?«
Ich konnte es immer noch nicht richtig fassen.
»Wer sind Sie?«
»Andrzej Zamorski, Apostolischer Nuntius des Vatikans in mehreren Ländern, darunter Frankreich und Polen. Ein seltsames Schicksal: ausländischer Botschafter in seinem eigenen Heimatland zu sein.«
Beim zweiten Hinhören bemerkte man einen leichten Akzent. So leicht, dass man nicht hätte sagen können, ob dieser Akzent von seiner Muttersprache oder von allen anderen Sprachen, die er seither gesprochen hatte, herrührte. Ich deutete auf das Mittelschiff, in dem wir standen.
»Weshalb wollten Sie mich treffen? Weshalb hier?«
Der Kleriker lächelte. Ich sah jetzt jedes Detail seines Gesichts. Markante Gesichtszüge, die durch das silberne Bürstenhaar noch verstärkt wurden. Helle, eisblaue Augen. Nur die Nase passte nicht zum Rest: schmal, gerade, fast weiblich, ein Fremdkörper in diesem Gesicht eines militärischen Ausbilders.
»Tatsächlich waren wir nie getrennt.«
»Sie folgen mir?«
»Das ist nicht nötig. Wir sind auf dem gleichen Weg.«
»In dem Stadium, in dem ich bin, habe ich wirklich keinen Nerv mehr für Ratespiele.«
Der Mann drehte sich um und machte dann eine knappe Kniebeuge. Er zeigte auf eine Seitentür mit beleuchteten Konturen.
»Folgen Sie
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