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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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scharfen Linien ihrer Pelerine zerteilten den grauen Dunst. Ich sah ihr nach, als sie sich entfernte. Sie hatte das ausgesprochen, was eine leise Stimme mir unentwegt einflüsterte, obwohl ich der Welt entsagen wollte.
       Der Teufel hatte seine Ernte des Grauens noch nicht beendet.
       Bevor ich entsagte, musste ich handeln.
       Ich durfte dem Teufel nicht das letzte Wort lassen.
       Ich musste ihn aufspüren und unschädlich machen.

KAPITEL 116
Freitag, 22. November. Rückkehr nach Paris
    Die Stadt stellte bereits ihren Weihnachtsschmuck zur Schau. Girlanden, Bälle, Sterne: das letzte Aufgebot gegen die Finsternis in mir. Diese Lichter, dieses Glitzern, die mühsam gegen den trüben Tag ankämpften, glichen einer kümmerlichen Milchstraße in einem aschgrauen Himmel. Ich fuhr jetzt einen Saab – ein neuer Mietwagen.
       Auf dem Weg nach Villejuif hielt ich an der Porte Dorée. Ich wollte an den Gräbern von Laure und ihren Töchtern, die auf dem Südfriedhof der Gemeinde Saint-Mandé beigesetzt worden waren, ein stilles Gedenken halten.
       Ich fand mühelos das Grab aus Granit, das von einer helleren Stele überragt wurde. Drei Fotos waren in Form eines Dreiecks angeordnet, unter dem die folgenden Worte standen:
       » Weine nicht um die Toten , denn sie sind nur noch Käfige, deren Vögel ausgeflogen sind. «
       Ich kannte das Zitat von Musluh al-Din Saadi, einem persischen Dichter aus dem 13. Jahrhundert. Weshalb ein weltlicher Autor? Weshalb kein katholisches Zeichen? Wer hatte diesen Satz ausgewählt? War Luc überhaupt in der Lage, irgendeine Entscheidung zu treffen?
       Ich kniete mich hin und betete. Ich war verstört, nicht ganz bei mir, sodass ich nicht einmal mehr verstand, was diese Porträts auf dem Grabstein bedeuteten. Trotzdem murmelte ich die Worte:
        
        
          »Von Dir, o Herr,
          von Dir kommt unsere Hoffnung
          wenn unsere Tage verdunkelt sind
          und unser Dasein zerrissen ist …«
        
    Ich setzte die Fahrt nach Villejuif fort. Luc Soubeyras. Seit dem Blutbad hatte ich nicht mehr direkt mit ihm gesprochen. Ich hatte ihm nur zwei Nachrichten im Krankenhaus hinterlassen, auf die er jedoch nicht reagiert hatte. Mehr als seine Verzweiflung fürchtete ich seinen Zorn, seinen Wahn.
       Um 11 Uhr morgens stand ich wieder vor der blinden Mauer des Institut Paul-Guiraud. Ich ging vorbei an den Sportplätzen und den Pavillons, die Flugzeughallen glichen. Ich betrat den Pavillon 21, befürchtete allerdings, dass Luc bereits in den Trakt Henri-Colin, die Abteilung für gefährliche Kranke, verlegt worden war. Aber nein. Er befand sich wieder in einem gewöhnlichen Zimmer und konnte sich frei bewegen. Tatsächlich war er nur wenige Stunden in der geschlossenen Abteilung gewesen.
       »Es tut mir leid, dass ich nicht an der Beerdigung teilnehmen konnte.«
       »Du warst nicht da?«
       Lucs Erstaunen schien echt zu sein. In einem hellblauen Jogginganzug lag er scheinbar entspannt auf seinem Bett. Er schien in seine Gedanken vertieft zu sein und spielte an ein paar Schnüren, die er aus der beschäftigungstherapeutischen Werkstätte hatte mitgehen lassen.
       »Ich musste mich um das Begräbnis von Manon kümmern.«
       »Natürlich.«
       Er ließ seine Bastelarbeit nicht aus den Augen. Er sprach mit sanfter Stimme, aber da war noch eine andere Nuance: Distanz, Ironie. Ich hatte eine Rede vorbereitet – eine christliche Suada über den verborgenen Sinn der Ereignisse, aber jetzt hielt ich es für besser, darauf zu verzichten. Ich hatte seine Familie nicht beschützt. Ich hatte seiner Bitte keine Beachtung geschenkt. Ich sagte:
       »Luc, es tut mir leid. Ich hätte schneller reagieren müssen. Ich hätte das Haus überwachen …«
       »Lassen wir es auf sich beruhen.«
       Er richtete sich auf und setzte sich seufzend auf den Rand des Betts. Ich konnte mich nicht beherrschen und brachte direkt den Punkt zur Sprache, der mir besonders am Herzen lag:
       »Sie ist es nicht gewesen, Luc. Sie war nicht in Paris, als Laure und die Kleinen umgebracht wurden.«
       Er wandte den Kopf und blickte mich an, ohne mich zu sehen. Seine goldbraunen Augen waren jedoch nicht tot, sie zitterten, während gleichzeitig kurz seine Lider zuckten.
       Sein Schweigen irritierte mich so, dass ich fast aggressiv hinzufügte:
       »Sie war es nicht, und es ist auch nicht meine Schuld!«
       Luc legte

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