Das Herz der Hoelle
sich wieder hin und schloss die Augen:
»Lass mich. Ich muss mich ausruhen.«
Ich sah mich um – die weiße Zelle, der Tisch, das Ablagebord. Kein Notizheft, kein Buch, kein Fernseher. Ich stellte die absurde Frage:
»Du … brauchst du nichts?«
»Ich muss mich ausruhen. Bevor ich meinen Auftrag zu Ende führe.«
»Was für einen Auftrag?«
Luc schlug die Augen auf und starrte ins Leere. Seine Wimpern schienen mit Rohrzucker bestreut zu sein.
Ein Lächeln zerriss die untere Hälfte seines Gesichts:
»Dich umzubringen.«
KAPITEL 117
Zurück in meinem Büro in der Zentrale, schloss ich meine Tür ab und ordnete meine Ermittlungsakte. Alles, was ich seit dem 21. Oktober zusammengetragen hatte, angefangen von meinen Notizen über den Larfaoui-Mord über die Artikel von Chopard, den Obduktionsbericht Vallerets, die Notizen, die ich im Vatikan gemacht hatte, die Artikel und Fotos aus Catania, die Bestandsaufnahme von Callacciura, die Krankenakten der Lichtlosen, die Berichte von Foucault und Svendsen bis zu ausgedruckten E-Mails über Moritz Beltreïn.
Irgendwo in diesen Unterlagen versteckte sich der Schlüssel zur Lösung des Falls.
Das schwarze Gift der Geschichte war noch nicht vollständig herausgelöst.
13 Uhr
Ich schwor mir, das Büro nicht eher zu verlassen, bis ich einen Hinweis, einen Anhaltspunkt gefunden hätte, der mir helfen würde, eine Erklärung für den Umstand zu finden, dass die Frau und die Kinder von Luc abgeschlachtet worden waren, während sich der Mörder, Moritz Beltreïn, tausend Kilometer vom Tatort entfernt aufhielt.
Bevor ich in Besançon in den Zug stieg, hatte ich Corine Magnan aufgesucht. Sie war zwei Tage nach Manons Tod in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. Sie war sofort in die Schweiz gefahren, um die eidgenössischen Polizisten zu befragen, die in der Villa von Moritz Beltreïn für die Tatbestandsaufnahme zuständig gewesen waren. Der Mord an Sylvie Simonis war ein abgeschlossener Fall. Der Täter war identifiziert. Alle Beweisstücke waren bei ihm gefunden worden: die Fotos, die Insekten, die Flechte, ein Vorrat an Iboga …
Die Richterin hatte diese Tatsachen auf einer Pressekonferenz in Besançon am Dienstag, dem 19. November, mitgeteilt. Ich war nicht hingegangen, aber sie hatte mir ihre Schlussfolgerungen dargelegt. Moritz Beltreïn, der Spezialist für Wiederbelebung, hatte seine »Mündel« gerächt, indem er jene umbrachte, die dafür verantwortlich waren, dass sie ins Koma gefallen waren. Gleichzeitig hatte er diese Überlebenden mithilfe eines ganzen Arsenals pharmazeutischer Substanzen einer Gehirnwäsche unterzogen und ihnen eingeredet, dass sie selbst seine Opfer getötet hätten. Der Psychopath hatte auch Stéphane Sarrazin ausgeschaltet, weil der ihm auf die Schliche zu kommen drohte.
Die Lichtlosen hatte Corine Magnan nicht erwähnt. Sie hatte diesen Begriff kein einziges Mal benutzt. Sie vermied es, irgendeine metaphysische Dimension in die Ermittlungen hineinzubringen – die Wunderheilungen des Teufels, die Wendung der »Soldaten« Beltreïns zum Bösen, ihre Besessenheit … Zu guter Letzt hatte sich die Buddhistin an eine nüchterne, rationale Erklärung der Tatsachen gehalten.
Auch die Teufelssklaven hatte sie bei unserer Unterredung mit keinem Wort erwähnt. Aus einem ganz einfachen Grund: Sie wusste nichts von der Existenz der Sekte. Daher bezog sie auch die Todesfälle Cazeviel und Moraz nicht in ihre Ermittlungen ein. Zwei Opfer, die am Rande schludrig geführter Untersuchungen der Vergessenheit anheimfielen.
Eine Frage blieb: Wer hatte Moritz Beltreïn umgebracht?
Magnan hatte keine Antwort. Zumindest keine offizielle. Der Zustand der Leiche, die zur Hälfe von Insekten aufgefressen worden war, hatte es nicht zugelassen, die exakten Umstände seines Todes festzustellen. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass die Richterin eine Vermutung hinsichtlich der Identität des Täters hatte … Aber sie hatte mir zu verstehen gegeben, dass ich mir keine Sorgen machen müsste. Tatsächlich konnte nur eine Person eine Verbindung zwischen der Leiche und mir herstellen: Julie Deleuze, die Assistentin Beltreïns. Aber allem Anschein nach hatte Mademoiselle Tic-Tac nicht geplaudert.
Es gab noch eine weitere ungelöste Frage:
Wer hatte Laure Soubeyras und ihre beiden Töchter ermordet?
Magnan interessierte sich nicht für dieses Rätsel,
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