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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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hatte eine ganz besondere Maschine erfunden, um sie aus dem Nichts herauszuholen. Er hatte sich immer in diesem Grenzbereich bewegt und denjenigen die Hand hingehalten, die zurückgeholt werden konnten. Er hatte Dutzende von Leben gerettet, dreißig Jahre lang Gutes getan, seine Erkenntnisse in den USA, in Frankreich und in der Schweiz vorgetragen. Ein makelloser Lebenswandel.
       Dennoch suchte ich, bis mir die Augen brannten, nach einem Namen, der wiederholt auftauchte, einer Grauzone, einem ungewöhnlichen Ereignis. Irgendetwas, was seinen Wahnsinn erklären oder einen Hinweis auf einen Komplizen geben konnte.
       Jedes Wort schien die winzigen Gefäße meines Gehirns pochen zu lassen.
       Aber ich fand nichts.
       Dennoch spürte ich, dass mir zwischen den Zeilen etwas entging. Ein Detail, eine Lücke, die vor meinen Augen lag und die ich nicht identifizieren konnte.
20 Uhr
    Ein weiterer Kaffee. Die Flure in der Kripozentrale waren mittlerweile verwaist. Hier machte man, wie auch sonst überall, freitagabends früher Feierabend.
       Wieder im Büro.
       Zum dritten Mal fing ich von vorn an. Nahm detailliert die Umstände der ersten erfolgreichen Wiederbelebung Beltreïns im Jahr 1983 unter die Lupe. Las den auf Englisch verfassten, unverständlichen Aufsatz, den der Arzt zwei Jahre später in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte. Ich ging, Land für Land, die Liste der Vorträge durch, die der Spezialist gehalten hatte.
       Eine weitere Stunde verging.
       Ich fand nichts.
       Ich zündete mir eine Zigarette an, massierte mir die Augen und setzte zu einem neuen Durchgang an.
       Die Daten. Die Namen. Die Orte.
       Und plötzlich wusste ich es.
       In jeder Biografie wurde der erste Einsatz der »Bypass« -Maschine erwähnt: Eine junge Frau, die 1983 im Genfer See ertrunken war. Aber jetzt kam mir eine Erinnerung. Bei unserer Begegnung in der Klinik hatte mir Beltreïn zum Beweis seiner langjährigen Erfahrung erzählt, er hätte dieses Verfahren schon 1978 »an einem kleinen Jungen, der erstickt war« ausprobiert.
1978
    Weshalb wurde dieser Eingriff in keinem der Artikel erwähnt? Weshalb verlegten diese Hagiografien die erste Anwendung der neuen Technik immer auf das Jahr 1983? Weshalb hatte Beltreïn selbst in seinen Interviews, seinem Lebenslauf, diese Ersterprobung unterschlagen? Und warum hatte er, wenn er etwas zu verbergen hatte, mir davon erzählt?
       Ich ging ins Internet und loggte mich ins Archiv der Tribune de Genève ein. Die Schlagwörter für das Jahr 1978: »Beltreïn«, »Rettung«, »Ersticken«. Kein Treffer. Ich versuchte das Gleiche mit L’Illustre suisse, Le Temps und Le Matin . Fehlanzeige. Kein Hinweis auf eine spektakuläre Operation. So ein Mist.
       Eine andere Erinnerung, die mir weiterhalf. 1978 war das letzte Jahr, das Beltreïn in Frankreich verbracht hatte, und zwar in Bordeaux. Ich führte die gleiche Suche im Archiv des Sud-Ouest durch.
       Der Artikel haute mich um: »Wunderbare Rettung durch einen Schweizer Arzt«. Dort wurde ausführlich geschildert, wie Moritz Beltreïn zum ersten Mal die Bluttransfusionsmaschine benutzt hatte, um einen kleinen Jungen, der erstickt war, wiederzubeleben.
       Feuer in den Adern.
       Das Kind war aus der Genderer-Höhle in den Pyrenäen gerettet worden. Es war mit dem Hubschrauber in die Universitätsklinik Bordeaux gebracht worden, wo Beltreïn vorgeschlagen hatte, sein Verfahren anzuwenden. Die Zeilen verschwammen bereits vor meinen Augen. Ich verstand nichts mehr.
       Weil ein Name mich so erschütterte, dass alle anderen Wörter ihre Bedeutung verloren.
       Der Name des wiederbelebten Kindes.
       Der Name, mit dem ich nicht gerechnet hätte.
       Luc Soubeyras.
       Ich schüttelte den Kopf und murmelte: »Nein, unmöglich.« Trotzdem las ich die Einzelheiten. Im April 1978 hatte Moritz Beltreïn den damals zwölfjährigen Luc den Klauen des Todes entrissen. Ein unglaublicher Zufall. Die Lebenswege zweier Menschen – Lucs und Beltreïns – hatten sich vor vierundzwanzig Jahren gekreuzt!
       Ich bemühte mich, den Artikel mit kühlem Kopf durchzulesen und die enorme Tragweite dieser Entdeckung zunächst einmal auszuklammern. Am Anfang stand eine Tatsache, die ich nicht wusste: Luc war bei seinem Vater, als der Höhlenforscher 1978 in die Genderer-Höhle hinabgestiegen war. Zweifellos hatte Nicolas Soubeyras seinem Sohn den Reiz dieser Disziplin nahebringen und ihn

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