Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
ein weiteres Mal auf die Probe stellen wollen.
       Aber beim Abstieg war etwas schiefgelaufen.
       Ein Felssturz hatte den Weg versperrt, über den Vater und Sohn hinabgestiegen waren. Die Felsen hatten den Vater auf der Stelle getötet. Luc hatte überlebt, aber er war durch die Fäulnisgase, die aus dem verwesenden Leichnam seines Vaters aufstiegen, langsam erstickt. Als die beiden gefunden wurden, war das Kind klinisch tot. Da hatte Beltreïn in der Universitätsklinik Bordeaux zum ersten Mal versucht, die Kühlmaschine für den umgekehrten Zweck einzusetzen. Es war ihm gelungen, das Kind wiederzubeleben – ein Kind, dessen Herz mindestens zwei Stunden lang nicht mehr geschlagen hatte. Die schönste Rettung Beltreïns: die erste und diejenige, die er in seiner Biografie unter den Teppich kehrte.
       Und jetzt die Folgerungen.
       Bei diesem Unfall hatte Luc eine negative Nahtod-Erfahrung gehabt. Mit elf Jahren hatte er den Teufel gesehen. Sein mystisches »Erweckungserlebnis« hatte er nicht, wie er immer erzählt hatte, in den Pyrenäen gehabt, als die Sonne das Antlitz Gottes auf eine Felswand projiziert hatte. Vielmehr hatte seine Initiation tief in einer Höhle stattgefunden, als ihn die Finsternis umschloss und sein Vater neben ihm verweste.
       Luc war ein Lichtloser.
       Der einzige wirkliche Besessene in dieser Serie von Bluttaten.
       Die ganze Geschichte, von hinten aufgezäumt.
       Luc Soubeyras war Satan also nicht erst vor einigen Wochen begegnet, als er sich im Fluss scheinbar zu ertränken versuchte. All dies war vorgegaukelt, berechnet, geschwindelt. Der vermeintliche Selbstmordversuch, die Vision, das Erwachen als ein vom Teufel Besessener – alles Lügen. Unter Hypnose hatte Luc seine Kindheitserinnerungen aus der Genderer-Höhle wiedergegeben!
       Seit dieser ersten Erfahrung war Luc der Drahtzieher. Das verfluchte Kind war zum Mentor Beltreïns geworden. Er hatte alles geplant, alles ausgeheckt. »Ich bin nur ein Lieferant, ein Mittelsmann«: Beltreïn hatte die Wahrheit gesagt. Von Anfang an stand er im Dienst eines teuflischen Kindes – jenes Kindes, das ich drei Jahre später in Saint-Michel-de-Sèze kennengelernt hatte und das aus seinem leidenschaftlichen Interesse am Teufel nie einen Hehl gemacht hatte und die Chuzpe besaß zu behaupten, man müsse den Feind ganz genau kennen, um ihn besser bekämpfen zu können.
       Aber Luc hatte nur einen Feind: Gott selbst.
       Es war Luc, und Luc allein, der seine Opfer nach einem bestialischen Ritual umbrachte. Er und er allein, der Lichtlose erschuf und sich maskiert vor ihnen darbot, nachdem er ihnen die Schwarze Iboga injiziert hatte. Für immer gezeichnet durch das doppelte Trauma des Eingeschlossenseins in der Höhle und des Komas, hatte er unentwegt Männer und Frauen nach seinem Ebenbild geformt – die Lichtlosen. Er hatte seine Opfer die gleichen Qualen durchleiden lassen, die er selbst einst am Grund der Höhle ausgestanden hatte – die Verwesungstortur. Luc hielt sich für den Fürsten der Finsternis oder für einen seiner Gesandten, und er war ein Dämon, der zwanghaft alles Leben in Verwesung und Verderbnis zugrunde richten musste.
       Aber weshalb hatte er sich diesen Selbstmordversuch durch Ertränken ausgedacht? Diese zweite negative Nahtod-Erfahrung? Weshalb hatte er mich, ausgerechnet mich, auf seine Fährte gelockt? Um seine unseligen Machenschaften an den Tag zu bringen? Um mich zu provozieren? Gott vor meinen Augen mit den Füßen zu treten? NUR DU UND ICH …
       Ich ahnte, was Luc antrieb. Sein Hang zur Theatralik, zur Selbstdarstellung. Wenn er ein Gesandter Satans war, dann sollten die Sterblichen dessen Herrschaft und das ganze Ausmaß seiner verderblichen Macht erkennen. Er brauchte einen Zeugen, jemanden, der von seinem Werk erzählte. Warum nicht ein Katholik, ein Freund, den er unablässig zu korrumpieren versucht hatte? Ein einfältiger, lauterer Mensch, der gegen seinen Willen zum Verfasser seiner Wirkungsgeschichte, zu seinem Apostel würde?
       Ich hob den Hörer von meinem Festnetztelefon ab, um in der Psychiatrischen Klinik in Villejuif anzurufen. Im selben Moment klingelte mein Handy. Ich ging ran.
       »Svendsen. Du hattest recht. Es gibt etwas Auffälliges am Zustand der Leichen.«
       Ein stechender Schmerz tief in meinem Unterleib.
       »Sag schon.«
       »Die Schlussfolgerungen des Arztes, der die Leichenschau vornahm, sind falsch. Die Opfer sind

Weitere Kostenlose Bücher