Das Herz der Hoelle
mit Ihnen über Sylvie Simonis zu reden.«
Er blieb unvermittelt stehen und schloss langsam die Augen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen:
»Ein Meisterwerk.« Er faltete abermals die Hände. »Ein absolutes Meisterwerk.«
»Diese Frau hat ein entsetzliches Martyrium durchgemacht. Irgendein Psychopath hat sie eine Woche lang gefoltert.«
Wie eine Eule riss er seine strahlenden Augen auf. Er schien wirklich überrascht.
»Das meine ich nicht. Ich spreche von der Verteilung der Spezies auf der Leiche. Keine einzige Art fehlte! Die Schmeißfliegen, die sich unmittelbar nach dem Tod einfinden, die Fleischfliegen, die sich anschließend, in der Phase der Buttersäuregärung, auf dem Kadaver niederlassen, die Käsefliegen und die Rotbeinigen Schinkenkäfer, die sich nach acht Monaten, wenn die jauchigen Flüssigkeiten verdunsten, an dem Kadaver zu schaffen machen … Das gesamte Spektrum in der richtigen Reihenfolge. Ein Meisterwerk.«
»Ich versuche mir seine Vorgehensweise vorzustellen.«
Er wandte seinen grauhaarigen Kopf.
»Seine Methode?«, wiederholt er. »Kommen Sie mit.«
Ich folgte dem Guru in einen mit Pinienbrettern getäfelten Gang. Wir traten durch eine mit Watte abgedichtete Brandschutztür in einen großen Raum, der im Halbdunkel lag und an dessen beiden Seitenwänden mit Gaze verkleidete Käfige standen, die an Terrarien erinnerten. Die Hitze war erstickend. Es roch nach rohem Fleisch und Chemikalien.
In der Mitte des Raumes stand auf einem weißen Labortisch ein rechteckiger Kasten, der mit einem Leintuch behängt war. Ich befürchtete das Schlimmste.
Plinkh näherte sich dem Tisch.
»Der Mörder ist wie ich. Er füttert seine Insekten und berücksichtigt dabei das von ihnen bevorzugte Verwesungsstadium …«
Er zog das Tuch weg. Ein Terrarium kam zum Vorschein. Ich erkannte zunächst nur eine von Mücken umschwärmte Masse. Dann glaubte ich einen Menschenkopf zu sehen, der von Maden wimmelte. Ich täuschte mich, es war nur ein großes, stark zerfressenes Nagetier.
»Es gibt nicht beliebig viele Lösungen. Man muss jeder Spezies das Milieu bieten, das auf sie zugeschnitten ist, das heißt den passenden Grad der Fäulnis.«
»Wo besorgen Sie sich die Kadaver?«
»Bei Landwirten und Jägern … Ich kaufe meistens Kaninchen. Sobald eine Aasfresserart satt ist, füttert man die nächste mit dem Kadaver und so weiter …«
»Darf ich rauchen?«, fragte ich.
»Nein, lieber nicht.«
Ich ließ die Schachtel in meiner Tasche und fuhr fort:
»Ich frage mich, wie der Mörder Sylvie Simonis transportiert hat. Wie ist er Ihrer Meinung nach vorgegangen? Der Transport muss ihm doch seine schöne Inszenierung verdorben haben.«
»Nein. Er hat die Leiche wohl in eine Plastikplane eingewickelt und sie dann oberhalb der Felswand ausgepackt und abgelegt.«
»Und die Insekten? Sie müssen doch entwichen oder eingegangen sein?«
Plinkh lachte laut auf:
»Der Kadaver ist doch mit Vorräten gespickt! Tausende von Eiern, aus denen nach einer gewissen Zeit Insekten schlüpfen. Larven, die eine bestimmte Lebensdauer haben. Die Fliegen schwirren natürlich umher, entfernen sich aber nie allzu weit von dieser reichen Nahrungsquelle. Im Übrigen liegen Sie nicht völlig falsch: Die Leiche hatte an diesem Morgen noch nicht lange dort gelegen. Das ist sicher.«
»Wieso?«
»Diese Aasfresser kommen nicht gut miteinander aus. Sie halten sich niemals gleichzeitig auf einem Kadaver auf, weil sie von unterschiedlichen Verwesungsstadien angelockt werden. Wenn sie aufeinandertreffen, fressen sie sich gegenseitig. Da die Leiche von sämtlichen Aasfressern gleichzeitig besiedelt war, kann der Leichnam erst wenige Stunden vor seiner Entdeckung abgelegt worden sein.«
»Das könnte bedeuten, dass der Täter aus der Gegend stammt.«
»Er lebt mit Sicherheit in der Gegend.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Es gibt ein Indiz.«
»Was für ein Indiz?«
Plinkh lächelte. Er schien das alles wahnsinnig komisch zu finden. Dieser Typ war nicht ganz dicht, und ich wollte so schnell wie möglich zum Ende kommen.
»Bei der Untersuchung der Leiche habe ich zahlreiche Proben genommen. Ich fand ein Insekt, das nicht in dieser Region heimisch ist, das heißt nicht aus einem Land mit gemäßigtem Klima stammt.«
»Woher stammt
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