Das Herz der Hoelle
es?«
»Aus Afrika. Es ist ein Skarabäus aus der Familie Lipkanus silvus, ein Verwandter unseres Mehlkäfers. Eine Käferart, die in der Phase der Skelettierung auftaucht, sozusagen für den Schlussputz.«
Ein aufschlussreiches Indiz in der Tat. Aber ich verstand nicht, wieso es bewies, dass der Mörder aus der Region kam. Plinkh fuhr fort:
»Ich möchte Ihnen eine Anekdote erzählen. Ich baue gegenwärtig ein ökologisches Museum für die Region auf, in dem die zahlreichen heimischen Arten ausgestellt werden sollen. In diesem Rahmen beschäftige ich Jugendliche, die für mich auf Insektenjagd gehen und Maikäfer, Schmetterlinge, Milben und so weiter sammeln. Vor Kurzem hat mir einer von ihnen ein ganz besonderes Exemplar gebracht. Einen Käfer, der hier nicht heimisch ist.«
»Einen Skarabäus?«
»Einen Lipkanus silvus, genau. Der Junge fand den Käfer in der Nähe von Morteau. Dieses Exemplar muss aus einer Privatsammlung entwischt sein. Ich habe Nachforschungen angestellt, ob es in der Gegend eine ähnliche Insektenzucht wie meine gibt, aber ich bin nicht fündig geworden. Das Gleiche auf Schweizer Seite. Als ich das zweite Exemplar auf der Leiche von Sylvie Simonis gefunden habe, war mir sofort klar, dass das erste aus derselben Quelle stammt: der Zucht des Mörders.«
»Wann war das?«
»Im Sommer 2001.«
»Haben Sie das der Polizei gesagt?«
»Ich habe Capitaine Sarrazin davon erzählt, aber auch er hat nichts herausgefunden, sonst hätte er sich wieder mit mir in Verbindung gesetzt.«
»Also züchtet der Mörder eine tropische Käferart?«
»Entweder er hat von einer Reise unabsichtlich ein Exemplar mitgebracht, das sich in seine Zucht eingeschlichen hat. Oder er züchtet diese Art gezielt und hat diese Tiere aus einem unbekannten Grund auf seinem Opfer ausgesetzt. Ich neige zu der zweiten Variante. Dieser Skarabäus ist eine Unterschrift. Ein Symbol, dessen Sinn wir nicht verstehen.«
»Könnte ich den Käfer sehen? Haben Sie ihn aufgehoben?«
»Natürlich. Ich kann Ihnen dieses Exemplar sogar überlassen. Ich schreibe Ihnen den Namen auf.«
Dass er von einer Unterschrift sprach, rief mir ein weiteres Element in Erinnerung:
»Hat man Ihnen auch gesagt, dass im Brustkorb Flechten gefunden wurden?«
»Ich war bei der Obduktion dabei.«
»Was halten Sie davon?«
»Noch ein Symbol. Oder etwas mit einem ganz bestimmten Zweck …«
»Könnte diese Flechtenart ebenfalls aus Afrika stammen?«
Er sah mich verärgert an:
»Ich bin Entomologe, kein Botaniker.«
Ich versuchte mir den Ort vorzustellen, an dem diese Wahnideen verwirklicht worden waren. Eine Insektenzucht, ein Labor, ein Gewächshaus. Und was machte die Gendarmerie? In Anbetracht des Aufwands, der mit einer solchen Zucht verbunden war, hätte es doch ein Leichtes sein müssen, eine solche Farm in den Tälern der Gegend aufzuspüren.
»Er ist hier«, fügte Plinkh hinzu, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Ganz in unserer Nähe. Ich spüre seine Gegenwart, seine Schwadronen, irgendwo in unseren Tälern … Seine Armee ist bereit für einen neuen Angriff. Das sind seine Heerscharen, verstehen Sie?«
Ich blickte nach rechts, zu den Gazekästen. Alles erschien mir wie unter einer Lupe vergrößert. Milben, die auf einer Haarsträhne krabbelten; eine Fliege, vollgepumpt mit Blut, die an einer triefenden Wunde leckte; Hunderte von Eiern, gräulicher Kaviar in einer fauligen Fleischtasche …
Ich fragte mit tonloser Stimme:
»Könnten wir in Ihr Büro zurückgehen?«
KAPITEL 31
Vor Sartuis wollte ich einen Abstecher nach Notre-Dame-de-Bienfaisance machen. Ich fuhr die Straße in umgekehrter Richtung zurück und nahm dann die Abzweigung nach Osten, Richtung Morteau und Schweizer Grenze. Nach der Ortschaft Valdahon fuhr ich direkt nach Norden ins Gebirge hinein.
Abrupte Kurven und Steinschlag. Abgründe, Steilwände, Schluchten und, tief unten, schwellendes Grün und silberglänzende Sturzbäche. Die Höhenanzeiger folgten dicht aufeinander: 1200 Meter, 1400 Meter … Auf 1700 Meter kündigte ein Schild das Kar von Bienfaisance an.
Nach fünf Kilometern tauchte das Kloster auf. Ein schmuckloses, großes, viereckiges Gebäude, daneben eine Kapelle mit gefällig geschwungenem Glockenturm. Graue Mauern, die von schmalen Fenstern durchbrochen waren, und geschlossene
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