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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Grün der Tannen. Die Landschaft schien einer Werbesendung für Milka-Schokolade entsprungen zu sein. Sattgrüne Hügel, Dörfer mit zwiebelförmigen Kirchtürmen, Scheunen mit abgeschrägtem Giebel, deren lange polygonale Dächer an Faltarbeiten aus Karton erinnerten. Ein perfektes Bild. Die Kühe trugen sogar Bronzeglocken.
       Ein Schild: Saint-Gorgon-Main. Ich fuhr von der Nationalstraße ab und bog in die D41. Die Gipfel des Jura näherten sich. Die geradlinige Straße, von Tannen und roter Erde gesäumt, weckte in mir die Erinnerung an die endlose Heidelandschaft im Südwesten Frankreichs. Nach einiger Zeit bog ich dann Richtung Mont d’Uziers ab. Laut meiner Landkarte wohnte der Entomologe Mathias Plinkh irgendwo in dieser Gegend.
       Bald wurden die Kurven enger und gaben hin und wieder den Blick auf Ebenen tief im Tal frei. Schließlich tauchte das Kreuz auf. Dann kam ein Holzschild mit der Aufschrift: »Landgut Plinkh, Museum für Insektenkunde, Experte für Thanatologie, Insektenzucht«.
       Die neue Straße schlängelte sich zwischen den Hügeln hindurch. Plötzlich sah ich ein modernes einstöckiges Gebäude in Form eines L wie an den Hang geschmiegt. In dem Wechsel aus Holz und Stein erinnerte es an manche flachen Häuser auf den Bahamas mit ihren großen, breiten Glasfenstern, die von Holzterrassen umgeben sind. Die beiden Teile des L waren in zwei verschiedenen Stilen erbaut: auf der einen Seite zahlreiche Fenster, auf der anderen eine blinde Fassade mit nur wenigen kleinen runden Fenstern. Der Wohntrakt und das ökologische Museum.
       »Polizeiliche Ermittlungen sind so leicht wie das Drücken einer Klingel«, hatte einer meiner Ausbilder am Anfang meiner Karriere immer gesagt. Das würde sich noch zeigen. Ich parkte und drückte den Knopf an der Sprechanlage. Nach einer Minute ertönte eine dunkle Stimme mit nordischem Akzent. Ich stellte mich ohne Umschweife vor. »Gehen Sie in den ersten Raum. Ich komme sofort. Und sehen Sie sich die Bilder an!«
       Als ich die viereckige weiße Halle betrat, begriff ich, dass Plinkh von einer Reihe handgezeichneter wissenschaftlicher Skizzen sprach, die an den Wänden hingen. Fliegen, Käfer, Schmetterlinge: Die Präzision der Strichführung erinnerte an chinesische und japanische Aquarelle.
       »Die ersten Bilder aasfressender Insekten von Pierre Mégnin. 1888. Der Begründer der Forensischen Entomologie.«
       Ich drehte mich zu der Stimme um und erblickte einen Hünen, der eine schwarze Jacke mit Mao-Kragen trug. Graues Haar, grüne Augen, verschränkte Arme: ein New-Age-Guru. Ich reichte ihm die Hand. Er faltete die Hände nach Art der Buddhisten. Dann schloss er salbungsvoll die Augen. Sein Verhalten wirkte aufgesetzt und berechnend. Er schlug die Augen wieder auf und deutete mit der Hand nach rechts:
       »Hier entlang …«
       Ein zweiter Raum, genauso weiß. An den Wänden hingen Schaukästen mit aufgespießten Insekten. Heerscharen von Exemplaren aus der gleichen Familie in allen Größen und Farben ihrer jeweiligen Stammbäume.
       »Ich habe hier die Hauptgruppen zusammengetragen. Die berühmten ›Todesschwadronen‹. Dieser Saal ist ein echter Renner. Die Kinder lieben so was! Erzählen Sie ihnen von Insekten und Ökosystemen, und sie schauen zum Fenster raus. Erklären Sie ihnen, dass es um Leichen geht, schon lauschen sie andächtig!«
       Er ging auf einen Kasten zu, der Reihen blau schimmernder Fliegen enthielt.
       »Die berühmten Sarcophagidae – Fleischfliegen. Sie tauchen nach etwa drei Monaten auf. Sie wittern einen Kadaver auf dreißig Kilometer Entfernung. Als ich als Experte im Kosovo war, fanden wir die Massengräber dadurch, dass wir nach ihren Schwärmen Ausschau hielten …«
       »Monsieur Plinkh …«
       Er blieb vor einer Reihe tieferer Rahmen stehen, die mit Zeitungspapier ausgelegt waren.
       »Ich habe hier einige Fallbeispiele zusammengestellt. Verbrechen, hei denen der Täter mithilfe von Insekten überführt wurde. Beachten Sie die raffinierte Gestaltung: Jeder Kasten ist mit den Zeitungsausschnitten geschmückt, die sich mit dem Fall befassen.«
       »Monsieur Plinkh …«
       Er ging noch einen Schritt weiter.
       »Das sind außergewöhnliche Exemplare aus vorgeschichtlicher Zeit, die wir in den gefrorenen Mammut-Kadavern gefunden haben. Wussten Sie, dass sich der Chitinpanzer einer Fliege nicht zersetzt?«
       Ich sprach lauter:
       »Ich bin gekommen, um

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