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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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eher minderer Qualität. Ich beschloss, es zu behalten. Ich hatte selbst versucht, Fingerabdrücke zu nehmen, aber natürlich nichts gefunden. Außerdem hatte ich einen kleinen Beutel mit geronnenem Blut »zur Analyse« für Svendsen beigefügt.
       Um 6.30 Uhr war ich wieder unterwegs, Richtung Besançon. Ich verdrängte nach wie vor meine Fragen, auf die ich nicht einmal ansatzweise eine Antwort hatte. Kurz nach sieben warte ich am Bahnhof von Besançon auf den Lokführer »meines« Zuges. Diese Transportmethode hatte ich mir bei den Pressefotografen, denen ich in Ruanda begegnet war, abgeschaut: Sie gaben ihre Filme Piloten oder Stewards von Linienflugzeugen mit.
       Dann trank ich in der Bahnhofsgaststätte einen Kaffee. Ich fühlte mich besser – die frische Luft, die Kälte, das Licht. Anschließend fuhr ich zurück ins Gebirge, auf der Suche nach Jean-Claude Chopard, dem Korrespondenten des Courrier du Jura. Ich konnte es kaum erwarten, den zweiten Aspekt meiner Ermittlungen in Angriff zu nehmen: den zwölf Jahre zurückliegenden Mord an Manon Simonis.
       »Monsieur Chopard?«
       Das Röhricht bewegte sich. Ein Mann im Tarnanzug tauchte auf, bis zu den Knien im Wasser. Er trug olivgrüne Anglerstiefel und eine Latzhose im gleichen Farbton. Eine khakifarbene Baseballkappe verbarg sein Gesicht. Seine Nachbarn hatten mich vorgewarnt: Samstagmorgens prüfte Chopard, »wie die Forelle beißt«. Ich bahnte mir in gebückter Haltung einen Weg durch das Pflanzengewirr zu ihm hin.
       »Monsieur Chopard?«, wiederholte ich leiser.
       Der Angler warf mir einen wütenden Blick zu. Er nahm eine Hand von der Angelrute, die er in der Leiste aufstützte, und fuchtelte mit den Fingern. Zuerst machte er mit Zeige- und Mittelfinger eine Schere, dann ballte er die Hand vor dem Mund zu einer Faust. Ich verstand nichts.
       »Sie sind doch Jean-Claude Chopard?«
       Mit seiner freien Hand machte er eine wegwerfende Geste, die bedeutete: »Gib’s auf.« Er zog die Angelrute zu sich, ließ ihre Spitze mehrere schnelle Kreise durch die Luft ziehen und ging dann zum Ufer, wobei er Äste und Gräser beiseiteschob. Als ich ihm helfen wollte, ignorierte er meinen Arm und zog sich aus eigener Kraft an Schilfhalmen die niedrige Uferböschung hinauf. An der Hüfte trug er zwei leere Drahtkörbe. Schweißtriefend fragte er mit rauer Stimme:
       »Beherrschen Sie denn nicht die Gebärdensprache?«
       »Nein.«
       »Ich habe sie in einem Zentrum für Taubstumme gelernt. Eine Reportage in der Nähe von Beifort.« Er räusperte sich. »Wenn ich Ihnen ›Angeln‹ sage, was antworten Sie mir dann?«
       »Früh am Morgen, allein.«
       »Ja, und auch still.« Er machte die Körbe los. »Verstehen Sie, was ich sagen will?«
       »Es tut mir leid.«
       Der Mann brummte einen unverständlichen Satz und krempelte seine Anglerstiefel herunter. Er zog sie mit einem Ruck aus, öffnete die Schnallen seiner Hosenträger und sprang aus seiner Latzhose heraus. Darunter trug er ein Hawaii-Hemd und eine Drillichhose. An den Füßen funkelnagelneue Nike.
       Ich zündete mir eine Zigarette an. Er sah mich schief an:
       »Weißt du nicht, dass das gesundheitsschädlich ist?«
       »Nie gehört!«
       Er klemmte sich eine Gitane in den Mundwinkel:
       »Ich auch nicht.«
       Ich gab ihm Feuer. Er war um die sechzig, massig, die grauen Haare ragten wie Strohhalme unter seiner Mütze heraus. Die Stoppeln seines Dreitagebarts erinnerten an Eisenfeilspäne, und seine Ohren waren von einem dichten Flaum überzogen. Er hatte ein eckiges Gesicht, in dem eine große Brille prangte. Ein spitzes Kinn à la Popeye verlieh ihm ein mürrisches Aussehen.
       »Sie sind doch Jean-Claude Chopard?«
       Er nahm seine Mütze ab und zeichnete eine Acht in die Luft.
       »Zu deinen Diensten. Und du, wer bist du?«
       »Mathieu Durey, Journalist.«
       Er lachte laut auf, zog einen Metallkoffer aus dem Buschwerk heraus und verstaute darin seine Stiefel, seine Latzhose und die Drahtkörbe.
       »Mein Junge, du willst mich wohl für dumm verkaufen.«
       »Bitte?«
       »Dreißig Jahre Lokalredaktion, sagt dir das was? Ich wittere einen Bullen auf zehn Kilometer. Wenn du also Fragen hast, dann spiel mit offenen Karten, kapiert?«
       Der Journalist hatte nicht den gleichen Akzent wie Mariotte. Zwar sprach er die Silben ebenso kehlig und abgehackt aus wie der Priester, aber ohne dessen

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