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Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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antwortete
sie. Doch heute, ich mochte mich täuschen, fand sich irgendwie keine fromme
Verzückung auf ihrem Gesicht. Was war los? Hatte sie es sich überlegt und wollte
nun doch nicht mehr die Retterin Frankreichs sein?
    Jeanne sah uns prüfend an, dann sagte sie auf einmal: »Ihr seid
keine Heiligen, stimmt’s?«
    Diese Worte erschreckten mich zutiefst. Offenbar war sie doch
nicht so naiv, wie wir geglaubt hatten.
    »Ihr seid etwas, dem ich noch nie begegnet bin«, setzte das
Mädchen hinzu. »Aber dennoch scheint ihr mir von Gott gesandt worden zu
sein.«
    »Und was macht dich da so sicher?«, fragte Sayd, ohne sich seine
Unruhe anmerken zu lassen.
    »Die Stimmen haben es mir gesagt«, antwortete Jeanne.
    »Stimmen?«, fragte ich. Konnte es wirklich sein, dass ihr Gott zu
ihr sprach?
    »Kurz nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten, sprachen
die Stimmen zu mir. Es waren die wirklichen Heiligen, die meinten, dass ihr euch
nur für Heilige ausgegeben habt. Allerdings seien eure Absichten lauter, und
auch sie waren der Meinung, dass ich unseren König eines Tages wieder nach Paris
bringen werde. Daher glaube ich, dass ihr gesandt wurdet, um mir bei diesem
Vorhaben zu helfen.«
    Sayd warf mir einen Blick zu, dann ließ er sich vor Jeanne auf ein
Knie sinken und reichte ihr eine Hand. Nur selten war sein Gesicht ein Spiegel
dessen, was wirklich in ihm vorging, doch jetzt konnte ich sehen, dass er
beeindruckt war von dem Scharfsinn des Mädchens. Es hatte keinen Sinn mehr, ihr
irgendetwas vorzuspielen.
    »Wir mögen vielleicht keine Heiligen sein, aber wir sind hier, um
dir zu helfen, deine Bestimmung zu erfüllen. Denn deine Stimmen haben recht, du
wirst den Dauphin auf den Thron führen und dem Land Frieden bringen. Allerdings
ist es vonnöten, dass du auf uns hörst und dir von uns zeigen lässt, wie du dein
Ziel erreichen kannst.«
    »Ich würde alles dafür tun, dass der König wieder auf seinen Thron
kommt – und die Burgunder endlich verschwinden.«
    »Du hasst die Burgunder, nicht wahr?« Das Blitzen in ihren Augen,
wenn sie von ihnen hörte oder sie erwähnte, ließ keinen Zweifel.
    »Gott sagt mir, dass ich nicht hassen soll, doch ich tue es
dennoch. Die Burgunder haben einen meiner Onkel erschlagen. Sie morden und
plündern in der Gegend, mein Vater konnte sie nur knapp davon abhalten, unser
Dorf zu schänden. Das muss aufhören.« Sie ballte entschlossen die Fäuste. »Ich
werde dafür sorgen, wenn es sonst keiner tut.«
    Sayd nickte und erhob sich jetzt wieder. »Weißt du einen Ort, an
den sonst niemand kommt und an dem wir dich unterrichten können?«
    »Es gibt einen Feenbaum nahe dem Dorf«, antwortete Jeanne so
rasch, als hätte sie sich schon Gedanken gemacht, wo sie ihre Unterweisung
erhalten sollte.
    »Ein Feenbaum?«, fragte ich, denn ich hatte bislang keinen Baum
gesehen, der diese Bezeichnung verdient hätte. »Ich zeige ihn euch.« Damit lief
sie voran.
    »Dieses Mädchen ist wirklich etwas Besonderes«, raunte Sayd mir
auf Arabisch zu. »Und das nicht nur, weil sie uns durchschaut hat.«
    »Wobei ihr die Stimmen geholfen haben«, wandte David ein, doch
Sayd schüttelte den Kopf.
    »Das sei dahingestellt, ich für meinen Teil glaube nicht, dass
Gott mit ihr spricht. Doch ihr Verstand ist scharf und vielleicht sind die
Stimmen nichts anderes als ihre inneren Stimmen, ihre Intuition.«
    »Dafür würde sie jeder hier entweder für besessen oder
schwachsinnig halten.«
    »Oder für eine Prophetin. Vielleicht hat sie gar hellseherische
Fähigkeiten. Du weißt, dass auch Alix in ihren Träumen vorhergesehen hatte, was
passieren würde.«
    Ja, und ich hatte ihr nicht geglaubt. Meine Gedanken wanderten zu
Vincenzo und Belemoth. Wie mochte es Ihnen inzwischen ergehen? Noch hatten wir
nichts von den Dschinn gesehen, aber das konnte sich jederzeit ändern.
    »Wenn wir ihr eine ähnliche Ausbildung zukommen lassen wie dir
damals, sollten wir aus ihr eine passable Kriegerin machen können. Und wenn wir
ihr ein wenig Kriegshandwerk beibringen, wird sie den Prinzen bei seinen
Feldzügen unterstützen können, und zwar so, dass die Engländer wirklichen
Schaden nehmen.«
    »Und vielleicht schon bald von hier verschwinden«, setzte ich
hinzu und erntete ein zufriedenes Nicken von Sayd.

Drittes Buch
    Der Wille der Jungfrau
1427–1431

23
    N achdem er wochenlang gewandert und schließlich übers Meer gefahren war, setzte der Wanderer den Fuß auf englischen Boden – jedenfalls sagten ihm Fischer,

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