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Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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die ihn übersetzten, dass dieses Land so genannt wurde. Der Wanderer schrieb England auf ein Blatt Papier, damit er nicht auch das noch vergaß. Dann dankte er den Fischern und machte sich auf den Weg.
    Eine ferne Erinnerung sagte ihm, dass er hier nach der Frau suchen sollte, deren Namen ihm beim Rauschen des Meeres wieder eingefallen war.
    Inzwischen waren ihm weitere Erinnerungsfetzen in den Sinn gekommen. Er hatte die Gesichter von Männern gesehen, die offenbar einst seine Freunde waren. Ihre Namen waren ihm nicht eingefallen, aber von irgendwoher wusste er, dass sie genauso waren wie er. Genauso unverwundbar. Allerdings hatte er sich bisher vergebens bemüht, sich an seinen eigenen Namen zu erinnern. Ägir war der einzige Name, der ihm in Verbindung mit seiner Person einfallen würde. Manchmal hatte er das Gefühl, seinen wahren Namen in der Ferne auftauchen zu sehen, doch er verschwand, bevor Ägir nach ihm greifen konnte.
    Wieder und wieder ging er das wenige durch, das er sich mühsam aus seiner Erinnerung zusammengeklaubt hatte, manchmal erzählte er es sich selbst, um es nicht wieder zu vergessen.
    Nachdem er die westliche Küste hinter sich gelassen hatte, irrte er tagelang durch den Wald. Die Menschen hier anzusprechen wagte er nicht, aus Angst, dass auch sie seine Andersartigkeit erkennen und ihn vertreiben würden. Sie nach dem Weg zu fragen, war zwecklos, denn er wusste ja nicht einmal, wo sein Ziel war. So ernährte er sich von dem, was er im Wald fand und erjagte. Wenn in der Ferne eine Ortschaft auftauchte, besah er sie kurz, hörte in sich hinein nach einem Echo seiner Erinnerung, doch stets blieb seine Seele stumm. Natürlich hätte er dort fragen können, ob es eine Frau namens Laurina gab, aber etwas in seiner Seele sagte ihm, dass er sie dort nicht finden würde.
    Schließlich kam er zu einer riesigen Stadt an einem weit verzweigten Fluss, dessen brackige Fluten die Luft mit einem furchtbaren Gestank verpesteten. Die Menschen dort waren zerlumpt und hohläugig, die Häuser drängten sich windschief nebeneinander. Aus dem, was er von den Gesprächen der Menschen aufschnappte, entnahm er, dass dies die Stadt des englischen Königs war – London genannt – und er konnte kaum glauben, dass der Herrscher, auch wenn seine Burg imposant war, hier leben wollte. Da hatte es irgendwann in seinem Leben eine andere Stadt gegeben, eine von Farben strahlende Stadt mit vielen Minaretten, Zwiebeltürmen und anderen prächtigen Gebäuden, eine Stadt, um die sich die Könige gestritten hatten. Wie war gleich ihr Name? Grübelnd starrte er in den grauen Spiegel der Themse, doch die schickte nur Unrat an ihm vorbei und schenkte ihm keine Klarheit. Mit dem Gefühl, auch hier nicht zu finden, was er suchte, verließ er London schließlich wieder und wandte sich dem offenen Land zu.
    Eines Morgens, als er vor den kargen Resten eines Lagerfeuers erwachte, überkam ihn plötzlich die Gewissheit, dass es ein Fehler war, weiter ins Festland vorzudringen. Die Küste, er musste an die Küste! Irgendwie hatte er das Gefühl, dass das Wasser jetzt bereit war, ihm eine Antwort zu schenken. Also wandte er sich gen Süden, mied erneut die Menschen und suchte einen Weg auf seiner inneren Landkarte, die größtenteils aus weißen Flecken bestand. Wie lange er unterwegs war, wusste er nicht, doch die Karte füllte sich nach und nach mit großen Wäldern und kleinen, ärmlichen Ortschaften, die unter der Steuerlast ihres in einem schmutzigen Moloch lebenden und den Krieg liebenden Königs ächzten. Eigentlich ging es ihn nichts an und doch empörte ihn das Verhalten des Herrschers und der Drang, etwas dagegen zu unternehmen, erwachte in ihm. Doch was konnte ein zerlumpter Wanderer, den der Tod aus irgendeinem Grund vergessen hatte, ausrichten?
    Nach weiteren Tagen der Wanderschaft machte er schließlich vor einem zerstörten Dorf nahe der südlichen Küste halt. Wie lange war er jetzt schon unterwegs? Zwei Jahre? Drei? Er konnte es nicht sagen, aber er spürte, dass er angekommen war.
    Nicht dass dies ein Ort gewesen wäre, an dem man hätte leben können. Die Häuser wirkten, als hätte ein schweres Unwetter sie dem Erdboden gleichgemacht. Anscheinend schon vor langer Zeit, denn inzwischen hatte Moos das Holz bedeckt und Gräser wucherten zwischen den Steinen.
    Der Wind raunte zwischen den Ruinen hindurch, als wollte er ihm etwas sagen, doch der Wanderer verstand nicht, was es war. Langsam ging er auf eines der größeren

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