Das Herz der Kriegerin
Ashala bist. Du bist stärker. Du hast die
Hoffnungen, die ich in dich gesetzt habe, bestätigt.«
Ich hatte seit der Prüfung viel Zeit zum Nachdenken gehabt, und
obwohl ich nicht wusste, ob es jetzt angebracht war, musste ich ihm eine Frage
stellen.
»Der Kampf … Die Prüfung …« Ich sah ihm eindringlich in
die Augen. »Es hat von dir abgehangen, nicht wahr? Wer aufgenommen wurde und wer
nicht.«
Ein rätselhaftes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Es hing vor
allem davon ab, wie sich der Kandidat bewährte.«
Sayd, der Meister des Ausweichens! Nicht einmal jetzt, wo wir
einander so nahe gekommen waren, wie sich Menschen nur sein konnten, verbarg er
sich immer noch hinter Rätseln.
»Aber wenn wirklich jeder von uns besser wäre als du, hätten wir
dich nicht als Anführer akzeptiert. Der Kampf diente nur dazu, dich feststellen
zu lassen, ob wir würdig sind. Wenn du gewollt hättest, hättest du uns auf der
Stelle töten können.«
Darauf zog er nur die Augenbrauen hoch und senkte den Blick. »Man
sollte einem Mann auch ein paar Geheimnisse lassen, findest du nicht?«
Ich beugte mich vor und küsste ihn. »Natürlich, das erhöht den
Reiz.« Als er sich aufrichten wollte, ließ ich das nicht zu, drückte ihn sanft
auf den Waldboden und begann von Neuem, seinen Körper mit Küssen zu bedecken.
Sayd ergab sich meinen Berührungen, streichelte dabei meinen Rücken und ließ
seine Hand durch mein Haar gleiten, bevor er mich sanft herumdrehte und wir
unser Spiel erneut begannen.
Als wir uns schließlich aus dem Gras erhoben und wieder
ankleideten, dämmerte der Morgen bereits über dem Wald herauf.
David lag unverändert neben der Feuerstelle. Ob er mich gehört
hatte? Und wenn schon, sagte ich mir. Vielleicht würde Gabriel zurückkehren,
vielleicht aber auch nicht. Diese Nacht war es durchaus wert gewesen, ein
schlechtes Gewissen zu haben.
Einige Stunden später, als die Sonne sich über das Waldstück
erhoben hatte, fanden wir uns unter dem Weidebaum ein.
»Ob sie wohl vorher zu der Kapelle geht?«, fragte David, dem es
sichtlich vor der Langeweile graute, die uns beim Warten unweigerlich wieder
überkommen würde.
»Was würdest du tun, wenn dich Heilige auffordern, eine heilige
Mission zu beginnen?«
»Wahrscheinlich nichts, denn wie du vielleicht weißt, haben wir
keine Heiligen in dem Sinne, wie es bei den Christen der Fall ist.«
»Das stimmt, aber angenommen, du wärst ein Christ.«
»Nun, dann würde ich wahrscheinlich alles stehen und liegen
lassen. Allerdings hast du ihr aufgetragen, ihren Eltern nichts zu erzählen. Sie
wird also dafür Sorge tragen müssen, dass sie unbeobachtet zu uns zu
gelangt.«
»Wahrscheinlich wird sie ihrem Vater erneut Widerworte geben«,
entgegnete ich, während ich, wie es mir mein Vater gezeigt hatte, einen Grashalm
zwischen den Fingern spannte und versuchte, ihm auf diese Weise einen Ton zu
entlocken. Das Ergebnis war sehr kläglich, sodass ich es kein zweites Mal
versuchte. So gut wie damals die anderen Kinder meines Dorfes würde ich es auch
nach weiteren zweihundert Jahren nicht können.
»Wenn er wieder vom Heiraten anfängt, sicher«, stimmte mir Sayd
zu. »Bloß gut, dass sie so starrsinnig ist. Meine Vision hat mir gezeigt, dass
sie als Jungfrau in den Kampf ziehen wird. Nur so wird sie die Mächtigen dazu
bringen, auf sie zu hören.«
Das war gut möglich, immerhin wohnte Jungfrauen ein besonderer
Zauber inne. Das hatten meine Landsleute ähnlich gesehen wie die Christen.
»Und wie willst du ihr erklären, dass ich ein Mann und keine
Heilige bin?« David zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Du bist in den Körper eines Mannes geschlüpft, um ihr das Kämpfen
beibringen zu können.«
»Ist das nicht ein bisschen fadenscheinig?«
»Es ist allemal besser, als Frauenkleider zu tragen«, wandte ich
spöttisch ein. »Schade nur, dass ich keine bei mir habe. Du hättest bestimmt
eine wunderschöne Katharina abgegeben.«
»Ich werde dir gleich …«
»Bleib ruhig«, unterbrach Sayd Davids Drohung. »Da kommt sie.«
Als ich zur Seite blickte, sah ich, wie ihre zarte Gestalt rasch
näher kam. Wir erhoben uns und sie beschleunigte ihren Schritt ein wenig.
Heute trug sie ihr Haar streng im Nacken zusammengebunden, das
Kleid war sauber und wohl eines ihrer besseren, die sie zum Kirchgang trug.
»Sei gegrüßt«, grüßte Sayd sie lächelnd. »Ich freue mich, dass du
gekommen bist.«
»Ich hatte es versprochen und ich halte mein Wort«,
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