Das Herz der Kriegerin
zu Hause war. Die Blätter, die sie beschrieb, verbrannte ich im Feuer, damit keine Spuren zurückblieben.
Eines Tages bemerkten wir eine merkwürdige Bewegung im Wald nahe des Dorfes. Natürlich ließen sich hier hin und wieder Leute aus den Nachbarorten sehen, doch diese Männer hier waren etwas anderes. Späher. Wahrscheinlich wollten die Burgunder wissen, wie viele Menschen hier lebten und was es bei ihnen zu holen gab.
»Laurina, reite ins Dorf und versuche, mit Jeanne zu sprechen«, sagte Sayd, als er von seinem Erkundungsgang zurückkehrte. »Wenn mich nicht alles täuscht, werden hier bald Söldner einfallen. Die Dörfler sollen sehen, dass sie sich in Sicherheit bringen.«
»Können wir diesen Trupp nicht einfach abfangen?«, fragte David, worauf Sayd den Kopf schüttelte.
»Nein, das wäre nicht klug. Wenn uns auch nur einer von ihnen entwischt, wird er seinem Anführer berichten, dass hier Bewaffnete lagern. Natürlich könnten wir es mit ihnen aufnehmen, doch wir dürfen im Wald nicht Berge von Leichen auftürmen.«
Ich wäre auch eher dafür gewesen, dass wir die Gefahr von dem Dorf fernhielten, doch Sayd hatte natürlich recht. Wir konnten den Waldboden nicht mit Dutzenden von Leichen düngen. Also schwang ich mich aufs Pferd und ritt zur Dorfgrenze, von wo ich mich auf den Weg zum Gehöft der Arcs machte.
Glücklicherweise war Jeanne gerade im Küchengarten und weder von der Mutter noch den Geschwistern etwas zu sehen.
»Jeanne«, rief ich sie leise heran, während ich mich neben dem Zaun verbarg.
»Laurina?«, fragte sie verwundert. »Aber du kommst doch nie ins Dorf.«
»Es ist wichtig«, entgegnete ich. »Wir haben Söldner gesehen, die euer Dorf ausspioniert haben. Sag den anderen, dass sie sich in Sicherheit bringen sollen.«
»Söldner? Vielleicht sollte mein Vater wieder mit ihnen verhandeln.«
»Ich glaube nicht, dass ihr diesmal genug Geld aufbringen könnt, um sie zufriedenzustellen. Ich rate euch, geht vorübergehend in ein anderes Dorf, wir werden dafür sorgen, dass sie euch nicht folgen.«
»Und wie soll ich meinem Vater erklären, dass …«
»Sag, du hättest sie durch das Feld schleichen sehen. Lauf am besten gleich zu ihm, sonst bezahlt ihr diesmal mit dem Leben!«
Durch die Zaunlatten sah ich, dass Jeanne auf einmal ganz weiß geworden war. Sie nickte mir zu, ließ den kleinen Korb mit den Kräutern stehen und rannte dann los.
Ich folgte ihr nicht, sondern kehrte in den Wald zurück. Wenn die Menschen erst einmal in Aufruhr waren, würde es keinen Ort mehr geben, an dem ich mich verstecken konnte. Und während das Dorf geräumt wurde, auf dem Baum sitzen, wollte ich auch nicht.
»Sie sagt ihrem Vater Bescheid«, berichtete ich, als ich wieder in unserem Lager angekommen war. Sayd und David hatten inzwischen die Feuerstelle gelöscht und unser Lager abgebrochen. »Wollen wir hoffen, dass Monsieur d’Arc nicht wieder auf Verhandlungen setzt.«
»Wenn er klug ist, wird er wissen, dass man Söldner nur einmal mit Geld bestechen kann. Außerdem wird er in so kurzer Zeit wohl nicht wieder eine derart große Summe aufbringen können.«
»Und warum habt ihr das Lager abgerissen?«, fragte ich und deutete auf die Feuerstelle, von der nur noch ein schwarzer Fleck übrig geblieben war.
»Weil wir natürlich mit ihnen gehen werden. Oder denkst du, wir lassen unsere Auserwählte allein?«
Natürlich dachte ich das nicht. Aber ein wenig tat es mir leid um diesen schönen Flecken. Warum mussten die verdammten Burgunder gerade jetzt hier auftauchen?
Es zeigte sich, dass Jacques d’Arc ein wirklich kluger Mann war. Zum einen nahm er ernst, was seine Tochter erzählte, und zum anderen war er besonnen genug, um die Leute tatsächlich zum Auszug aus dem Dorf zu bewegen. Innerhalb weniger Stunden packten die Leute alle Habe zusammen, die sie tragen konnten, und verließen dann geschlossen das Dorf.
»Das sieht beinahe aus wie der Exodus des Volkes Israel aus Ägypten«, merkte David an, während er durch Sayds Fernglas spähte.
»Nur mit dem Unterschied, dass Jacques d’Arc nicht das Rote Meer teilen muss«, sagte Sayd.
Ich bat derweil den Göttervater Odin darum, dass er den Menschen dort genug Zeit gab, um ins Nachbardorf zu ziehen. Kurz nachdem wir unseren Lagerplatz verlassen hatten, hatten wir erneut mitbekommen, dass jemand spitzelte. Diesmal hatte Sayd nicht so viel Gnade mit den Spähern gehabt. Da sie sicher mitbekommen hatten, dass die Leute Vorbereitungen zum Auszug
Weitere Kostenlose Bücher