Das Herz der Kriegerin
bemerkt, ja. Und es hat mir viel Verdruss bereitet.«
»Nun, es hat seinen Grund, denn in deiner Brust trägst du die Quelle des Lebens. Du bist kein normaler Mensch, Gabriel.«
Und Vincenzo begann zu erzählen. Er begann bei dem Tag, an dem sie sich zum ersten Mal trafen, ging ein wenig zurück in die Zeit, von der er nur gehört hatte und in der Gabriel zu dem wurde, was er war. Dann erklärte er ihm, wie er an den Emir Malkuth geraten war. Und wie er Laurina am Strand aufgelesen hatte.
»Also war ich ein Mörder«, bemerkte Gabriel und fand sich in seinen düsteren Ahnungen bestätigt.
»Nein, du warst kein Mörder, sondern ein Assassine. Wie wir alle.«
»Und worin liegt der Unterschied?«
»Dass wir nicht aus niederen Beweggründen getötet haben. Doch eines Tages öffnete uns Sayd die Augen und wir haben uns gegen Malkuth entschieden.«
»Und Laurina.«
»Ist zu dem geworden, was wir alle sind, nur dass sie andere von uns erschaffen könnte. Aber das tut sie nicht, denn sie ist unsere Schwester.«
Und für mich mehr als das, ging es Gabriel durch den Sinn. Ach, wenn er sie nur sehen könnte!
»Ich muss zu ihr«, sagte er nach kurzem Nachdenken. »Ich bin sicher, wenn ich sie sehe, wenn ich sie berühre, wird mir alles, was sie betrifft, wieder einfallen. Vielleicht kann sie auch Ordnung in meine seltsamen Träume bringen.«
»Das dürfte ein wenig schwierig sein«, entgegnete Vincenzo. »Wir wissen nicht, wo sie sind, doch es wäre möglich, dass sie uns, sobald sie gefunden haben, wonach sie suchen, eine Nachricht schicken. Dann kannst du meinetwegen losziehen, aber vorerst, fürchte ich, musst du mit mir und Belemoth vorliebnehmen.«
Ein wenig widerwillig nickte Gabriel, denn die Erzählung hatte Unruhe in seinem Herzen geweckt, die nach Linderung verlangte.
24
W ie bildet man die Retterin Frankreichs aus? Sayd hatte sicher recht damit gehabt, dass sie dieselbe Ausbildung genießen müsse wie ich, und doch war vieles bei ihr anders.
Zum einen hatte sie noch nie ein Schwert in der Hand gehalten, während ich mit dem Schwert aufgewachsen war. Selbst Fenrir war zu schwer für Jeanne, was David veranlasste, nach Valcouleurs zu reiten und dort ein leichteres Schwert zu besorgen.
Als sie die Waffe schließlich tragen und heben konnte, stand sie ein wenig unbeholfen vor Sayd, der versuchte, ihr erste Hiebe beizubringen.
»Warum muss ich überhaupt lernen, ein Schwert zu führen, wenn doch Gott auf meiner Seite ist?«, fragte sie, nachdem ihr die Waffe wieder einmal aus der Hand gerutscht war.
»Zum einen, weil du Gottes Schwert bist«, entgegnete Sayd geduldig, während er das Schwert vom Boden aufhob und es ihr wieder reichte. »Und zum anderen, weil es auf dem Weg zum König, auf dem Weg nach Paris, sicher zahlreiche Gefahren gibt.«
»Aber dazu habe ich doch euch! Ihr seid doch meine Beschützer, oder?«
»Das sind wir. Aber dennoch wird es Situationen geben, in denen du dich selbst verteidigen musst. Sei es gegen Räuber, Soldaten oder einfach nur Männer, die alles andere als ehrenwerte Absichten haben.«
»Und wichtig dabei ist, dass du dir nicht anmerken lässt, dass du es kannst«, bemerkte David, als er zu ihnen trat. »Wenn sie spüren, dass du mit dem Schwert umgehen kannst, werden sie versuchen, dich herauszufordern. Also tu so, als wärest du eine gewöhnliche Frau. Erst wenn sie dir etwas anhaben wollen, zeig ihnen, dass du es nicht bist.«
Jeanne presste die Lippen zusammen und blickte auf das Spiegelbild ihres Gesichts in der Klinge. Dann nickte sie und hob die Waffe wieder in Kampfhaltung.
Etwas leichter fielen ihr die Schreib-Übungen, die ich mit ihr machte. Ich hätte ihr genauso gut den Umgang mit dem Schwert zeigen können – und manchmal tat ich das auch, damit es ihr gelang, Sayd zu beeindrucken –, doch die meiste Zeit befassten wir uns mit Papier und Federn.
Die Gänse vor dem Dorf erwiesen sich als sehr nützlich. Jeanne war sehr geschickt darin, den großen Vögeln Schwungfedern aus den Flügeln zu rupfen, die ich daraufhin so anspitzte, dass sie zum Schreiben taugten.
Die Tinte brachte David von seinen Ausritten mit. Meist ging es gut, doch manchmal zerbrach ein Fässchen, weil er noch viele andere Dinge in seinen Satteltaschen trug, die sich mit dem gebrannten Ton nicht vertrugen. Dann schimpfte er den ganzen Tag lang, wozu Jeanne ausgerechnet schreiben lernen musste.
Doch wenn sie dann wieder bei uns war, blieb er stumm, mir konnte er einfach nichts
Weitere Kostenlose Bücher