Das Herz der Kriegerin
abzuhacken?«
»Natürlich nicht!« Als Sayd auch begann, sich seiner Beinkleider zu entledigen, war es für mich zu viel und ich richtete meinen Blick konzentriert auf die Bettstatt mit den Kleidern.
»Du weißt aber sicher noch, dass er uns beim letzten Mal hinters Licht geführt hat.«
»Er hat den Befehl des Dauphin ausgeführt, ja. Alles andere können wir schlecht nachweisen.«
Nackt wie er war, stellte er sich jetzt vor mich hin und strich mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Ich bin sicher, dass er tun wird, was ich ihm gesagt habe. Immerhin will er doch nicht, dass ich dich enttäusche.«
»Mich enttäuschst?«, setzte ich zu einer Frage an, doch Sayd küsste mich und zog mich zu sich auf sein Bett.
Als Jeanne am nächsten Morgen erwachte, umgab eine seltsame Aura sie. Es war eigentlich nichts, was man sehen konnte, aber irgendwie wirkte sie gereinigt und abgeklärt. Ein seltsames Licht spielte auf ihren Zügen. Die Männer, die uns in der Gaststube begegneten, starrten sie merkwürdig an, ich bemerkte, dass einige von ihnen das Kreuzzeichen schlugen und aussahen, als würden sie sich ihr sogleich zu Füßen werfen. Was war nur los?
Noch nie hatte ich Jeanne nach dem Inhalt ihrer Visionen gefragt, weil ich das als unschicklich ansah. Doch diesmal zerriss es mich beinahe vor Neugierde. »Erinnerst du dich an gestern?«, fragte ich sie, nachdem wir nach der Morgenmahlzeit wieder in unsere Kammer zurückgekehrt waren. Sayd und David hatten sich auf den Weg in die Stadt gemacht, um Neuigkeiten über die Engländer und Burgunder in Erfahrung zu bringen.
»Natürlich«, entgegnete sie lächelnd, während sie sich mit kindlicher Unbekümmertheit auf das Bett setzte. »Die Heiligen haben zu mir gesprochen. Das ist es, was du wissen möchtest, nicht wahr?«
Ich nickte ein wenig beschämt. »Du warst ziemlich lange ohnmächtig, wir haben uns Sorgen gemacht.«
Jeanne lächelte. »Sorgt euch nicht, wenn ich bei ihnen bin. Sie beschützen mich.«
»Und was haben sie dir mitgeteilt?«
»Dass ich auf dem rechten Weg bin. Dass ich den Prinzen schon bald sehen werde.«
»Wie bald?«, fragte ich, denn momentan sah es nicht so aus, als sei Charles geneigt, uns zu empfangen. Seit der Jungfrauenprobe hatte der König nicht wieder von sich hören lassen. Wahrscheinlich ließ er sich die Prozedur wieder und wieder von den Hofdamen erzählen …
»Es wird nur noch ein paar Tage dauern. Und der Prinz wird eine Probe meines Könnens verlangen.«
»Sollst du etwas für ihn vorhersagen?«
»Nein, ich werde ihm etwas erzählen müssen. Etwas, das nur er weiß.«
Ich dachte an das, was Sayd ihr geraten hatte, als wir im Lager vor Chinon übernachtet hatten.
»Nun, die Nacht seiner Flucht kennst du ja schon durch uns.«
Jeanne lächelte hintergründig. »Das wird es nicht sein. Die Heiligen haben mir etwas aus seiner Kindheit verraten. Das werde ich anbringen.«
Am liebsten hätte ich ihr geraten, das sein zu lassen – doch wer konnte schon wissen, ob sie nicht wirklich Botschaften empfing?
»Also gut, mach es auf deine Weise«, entgegnete ich lächelnd und strich ihr übers Haar. »Wir werden jedenfalls in deiner Nähe sein, wenn es losgeht.«
27
T atsächlich kam die Nachricht aus der Burg nur ein paar Tage später. Überbracht wurde sie von einem jungen Adligen, der offensichtlich ganz vernarrt in Jeanne war – und das, obwohl er sie nur einmal vor dem Schlosstor gesehen hatte. Die Botschaft besagte, dass sie sich mit ihren Begleitern in der Burg einfinden solle, wo Raoul de Gaucourt, der Burghauptmann von Chinon, sie in seine Obhut nehmen werde.
Jeanne war ebenso wie alle anderen höchst erfreut hierüber. In Windeseile tauschte sie ihre Frauenkleider gegen Männerkleider aus, nahm ihr Schwert und eilte die Treppe hinunter.
»Ob er sie wirklich empfangen wird?«, zweifelte David, als wir ihr folgten und uns dem hinteren Teil des Gefolges anschlossen. Sie selbst musste dem Zug vorausreiten, gefolgt von Baudricourts Adligen. Wir waren unwichtig.
»Offenbar ja«, entgegnete ich mit einem Blick zu Sayd, der angestrengt nach vorn schaute, als wollte er von hier aus sicherstellen, dass Jeanne nichts geschah. »Sie hat es jedenfalls in ihrer Vision vorhergesehen.«
Ich hatte meinen Kameraden natürlich berichtet, was sie mir erzählt hatte.
Sayd war nach wie vor darüber beunruhigt.
»Sie sollte sich besser an das halten, was wir ihr gesagt haben, Visionen hin oder her.« Das aus seinem Mund zu
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