Das Herz der Kriegerin
vollkommen überzeugt.«
Ich verteidigte das Mädchen: »Fanatisch ist sie nicht. Sie glaubt nur fest an ihre Mission und weiß, dass sie nicht davon abweichen darf. Es scheint mir eher, als hätte sie in den Botschaften ihrer Heiligen etwas gefunden, an das sie sich klammern kann, wenn ihr von überall Zweifel entgegendrängen.«
»Und diese Zweifel wird sie zur Genüge bekommen«, setzte Sayd finster hinzu.
»Hast du das in deinen Visionen gesehen?«, fragte ich, worauf er nickte.
»Wir werden uns noch eine Weile gedulden müssen, bevor wir in den Kampf ziehen können. Der König, der eigentlich noch gar keiner ist, wird lange brauchen, bis er ihr glaubt. Aber er wird es tun, verlass dich drauf.
Überraschenderweise bat der König Jeanne schon am nächsten Tag zu einer Unterredung. Zuvor jedoch wurde ihr Können, wie Sayd das vorhergesehen hatte, auf die Probe gestellt. Inmitten all seiner Höflinge, von der Kleidung her nicht zu unterscheiden, trat er vor sie.
Wir erkannten ihn natürlich sofort heraus – aus dem Jungen war ein Mann geworden, kein besonders schöner, aber eindeutig einer aus dem Hause Orléans –, doch Jeanne kannte nur unsere Beschreibungen, die recht vage gewesen waren, denn mochte Sayd auch Karten zeichnen können, ein Künstler war er nicht. Würde sie den König herauskennen? Wenn ja, würde zumindest der Grundstein für den Glauben an sie als Prophetin gelegt sein.
Jeanne verharrte einen Moment respektvoll vor den Männern, dann schritt sie völlig unbefangen voran und sank schließlich auf die Knie – direkt vor dem früheren Dauphin.
Ein Raunen ging durch die Menge, als sie sagte: »Seid gegrüßt, Majestät, von einer einfachen Hirtin und Eurer ergebenen Dienerin.«
Ich fragte mich, was den Dauphin, der sich selbst König nannte, mehr erstaunte, die Bescheidenheit in Jeannes Rede oder dass sie ihn tatsächlich erkannt hatte. Er streckte ihr huldvoll die Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen, dann erwiderte er ihren Gruß.
Ich atmete erleichtert auf, was Sayd natürlich bemerkte.
»Du hattest doch nicht etwa Zweifel an ihr, sayyida ?«, flüsterte er mir auf Arabisch zu, wobei seine Lippen kurz mein Ohr streiften und einen Feuerschauer über meine Haut schickten.
»Ich gebe zu, einen Moment lang schon, denn unser Prinz sieht wirklich nicht mehr sehr wie unser Prinz aus.«
»Er war schon seit Johann Ohnefurchts Tod nicht mehr unser schüchterner Prinz von früher. Ich glaube, er hat in den vergangenen Jahren viel dazugelernt, und das hat ihn zu einem anderen Menschen gemacht.«
»Zu einem niederträchtigeren Menschen«, flüsterte David, doch Sayd schüttelte den Kopf.
»Nein, zu einem Monarchen, der sein Land mit harter Hand führt. Doch einen anderen König bekommt Frankreich nicht, die Alternativen wären schlimmer.«
Ich wusste nichts über den derzeitigen englischen König, aber ein Volk unter Fremdherrschaft war nie ein glückliches Volk.
Eine Weile ging noch das Gespräch zwischen Jeanne und Charles, dann verkündete er, dass er sich mit ihr zu einem Gespräch unter vier Augen zurückziehen wollte.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich Sayd, doch der zuckte mit den Schultern. »Möglicherweise möchte er, dass sie ihm die Zukunft vorhersagt. Aber es wäre auch denkbar, dass er wissen möchte, welchen Vorschlag sie ihm unterbreiten kann. Wir haben ihr einiges über das Kriegshandwerk beigebracht …«
»Sollten wir nicht vielleicht doch besser folgen und nachsehen, was sie besprechen?« David zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Das wollte ich gerade vorschlagen.«
»Woher können wir wissen, wohin er sie bringt?«, fragte ich, während wir durch die dunklen Gänge huschten.
»David und ich waren nicht untätig«, antwortete Sayd. »Wir wissen, wo der König seine Gemächer hat, und ich kann mir vorstellen, dass er sie dorthin bringt, wenn er mit ihr allein reden will.«
»Meinst du, er hat unlautere Absichten?«, sprach ich den Gedanken aus, der mir als nächster in den Sinn schoss. Inzwischen waren wir in dem Trakt der Burg angekommen, in dem die Höflinge untergebracht waren. Auch wenn dies nicht der richtige Königshof war, ähnelte er einer kleinen Stadt mit eigenen Gesetzen. Wie mochte Jeanne all die Leute empfinden – Höflinge und Diener, die sie angafften, als wäre sie ein seltener Vogel?
»Ich hoffe für ihn, dass er keine hat, denn das Mädchen trägt den Dolch bei sich, den ich ihr gegeben habe.« So wie David grinste, schien ihm die
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