Das Herz der Kriegerin
hören, war etwas seltsam, immerhin hielt auch er sich streng an seine Visionen.
»Wir können sie ja im Blick behalten«, warf David ein und sprach damit das aus, was ich dachte. »Es gibt viele Wege in die Burg und uns sollte es doch nicht schwerfallen, an einer Mauer hinaufzuklettern.«
Sayd setzte ein breites Grinsen auf. »Das ist kein schlechter Gedanke. Sollte sich unser leichtsinniger Prinz von Jeanne nicht überzeugen lassen, werden wir eben dafür sorgen, dass er ihr dennoch Unterstützung gewährt.«
»Und wie willst du das anstellen? Ihn bedrohen?«
In Sayds Augen erschienen funkelnde goldene Fäden. »Gar kein schlechter Gedanke. Mir kribbelt es immer noch in den Fingerspitzen, ihm einen Denkzettel für den Mord an Johann Ohnefurcht zu verpassen. Wir könnten uns längst anderen Dingen zuwenden, wenn es damals zum Friedensschluss gekommen wäre.«
»Aber das ist es nicht und Rache bringt nichts. Die Burgunder haben ihn schon damit abgestraft, dass sie den Engländer als ihren König anerkannt haben.«
»Ein Anspruch, den er nicht halten kann. Nicht die Tochter erbt den Thron, sondern immer der Kronprinz, und der sitzt dort drüben in seinen Gemächern, wird schlecht beraten und ist schwach. Beinahe ist es eine Verschwendung, dass ein Mädchen wie Jeanne für einen König wie ihn streitet. Aber Allah will es so, also erfülle ich seinen Wunsch.«
Ich spürte, wie er sich selbst zur Ruhe zwingen musste. So aufgeregt hatte ich ihn zuletzt damals erlebt, als Richard Löwenherz versucht hatte, Jerusalem einzunehmen. Aber Saladin war ein ganz anderer Herrscher gewesen als Charles …
Angestarrt von zahlreichen Augenpaaren ritten wir zur Burg hinauf, die diesmal bleich wie ein Schädel wirkte. Den ganzen Tag über war der Himmel verhangen gewesen, doch Sayd hatte meinen Verdacht, dass die Dschinn in der Nähe sein könnten, zurückgewiesen. »Es gibt noch andere Gründe für grauen Himmel, sayyida , die Dschinn sind nicht an allem schuld.«
In der Burg wurden wir, wie es in dem Schreiben versprochen worden war, vom Burghauptmann in Empfang genommen. Er geleitete Jeanne in die Burg, während die Begleiter angewiesen wurden, sich einen Platz auf dem Hof zu suchen, bis der König über unseren Aufenthalt hier entschieden hatte.
»Sieh nach ihr, sayyida «, sagte Sayd, als wir von den Pferden herunter waren. »Ich möchte sie nicht der Obhut einer dieser Hofdamen überlassen.«
»Hatte ich gerade vor«, entgegnete ich und gab ihm die Zügel meines Pferdes.
»Du solltest allerdings Frauenkleider tragen«, setzte er hinzu, als ich loslaufen wollte.
»Das erledige ich auf dem Weg«, antwortete ich und eilte über den Hof.
Da ich durch meinen Dienst in Bourges ungefähr wusste, wo in einem Schloss Waschküchen und Kleiderkammern untergebracht waren, nahm ich einen kleinen Umweg und bemächtigte mich des ersten besseren Gewandes, das mir im Weg herumhing. Das dunkelblaue Kleid fühlte sich ziemlich unbequem an, auch störte mich der tiefe Ausschnitt, aber mit einem Schleier über dem Haar wirkte ich, das überprüfte ich im Spiegel eines kupfernen Waschkessels, beinahe wie eine Hofdame. Eine ziemlich unförmige Hofdame, was aber nur der Wölbung des Kessels zuzuschreiben war.
Herauszufinden, wohin man die Jungfrau aus Domrémy , wie Jeanne hier genannt wurde, gebracht hatte, war nicht besonders schwer. Sogar die Mägde wisperten von ihrer Ankunft und so fand ich schon bald das Turmzimmer, in dem sie untergebracht worden war.
Ein wenig erinnerte mich der Aufstieg zum Turm an meinen Gang zum Versammlungsraum in Malkuths Burg. Auch dort hatte es ganz furchtbar gezogen – nur war der Wind warm gewesen und nicht wie hier äußerst schneidend.
Als ich eintrat, sprang Jeanne von ihrer Bettstatt auf.
»Laurina!« Verwundert streifte ihr Blick meine Kleider. »Warum trägst du diese Kleider? Ich bin doch auch wie ein Mann gekleidet.«
»Das stimmt, aber ich bin keine Jungfrau wie du. Bei mir könnte das Tragen der Männerkleider durchaus Unmut erregen – jedenfalls hier bei Hofe.« Ich erinnerte mich mit Schrecken an die Magdkleider, die ich in Bourges getragen hatte und die meine Bewegungsfreiheit ziemlich eingeschränkt hatten. Das jetzige Kleid war etwas besser, doch ich konnte nicht behaupten, dass ich es ständig tragen wollte.
»Der Burghauptmann hat eine der Mägde angewiesen, mir ein Kleid zu bringen«, erklärte Jeanne, allerdings nicht mit dem Glanz in den Augen, den andere Mädchen bei der
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