Das Herz der Kriegerin
flankiert von seinen Getreuen, allen voran Tanneguy du Chastel. Dieser war unsere größte Hoffnung, was das Aufspüren des künftigen Attentäters anging. Auch wenn er kein besonders angenehmer Mann war, stand er in unserer Schuld und konnte uns vielleicht helfen.
Der Burgunderfürst ließ es sich derweil in Paris gutgehen, trug sich allerdings nicht mit der Absicht, in nächster Zeit Frieden mit den Armagnacs zu schließen. Sayds Befürchtung, dass wir eine ganze Weile hierbleiben würden, schien sich zu bewahrheiten.
In der Nacht stand ich oftmals vor dem Fenster unserer Unterkunft und beobachtete den Himmel. Es war anzunehmen, dass Aisha Qandisha, ihr Gefährte Hammu Qiyu und die anderen Dschinn ebenfalls gen Norden reisten, um auf dem Schlachtfeld ihr blutiges Festmahl zu halten. Gewöhnliche Menschen mochten das Auftauchen der Dschinn für ein herannahendes Gewitter halten, doch seit dem Angriff an der französischen Küste vor mehr als hundert Jahren wusste ich beides deutlich voneinander zu unterscheiden.
»Sollten wir auf Aisha treffen, wie könnten wir ihr beikommen?«, fragte ich Sayd eines Abends, als er sich am Fenster zu mir gesellte. Wir hatten eine ganze Weile geschwiegen, hin und wieder hatte er mich angesehen, doch ich hielt meinen Blick stur in die Nacht gerichtet, an den Himmel, dessen Wolken weiß waren wie der Schnee auf den Bergen meiner Heimat.
»Sie begibt sich nicht selbst in den Kampf. Jedenfalls sagen das unsere Legenden.«
Legenden. Mehr hatten wir nicht über die Dschinnkönigin. Bei unserem letzten Zusammenstoß mit Malkuth hatten zwar Dschinn an seiner Seite gekämpft, deren Herrin aber hatte es nicht für nötig befunden, ihren Bundesgenossen zu unterstützen.
»Aber sie hat doch einen Körper, nicht wahr?«
»Das stimmt, allerdings ist er ebenso von Rauch umgeben wie der ihrer Getreuen. Und schlimmer noch, sie kann sich ganz und gar in Rauch auflösen.« Sayds Blick verriet, dass sein Verstand zurückreiste in jene Tage, da er mit seinen Stammesbrüdern am Feuer gesessen und den Erzählungen der Alten gelauscht hatte.
»Wenn du sie töten willst, musst du sehr schnell sein.«
»Aber wir sind Lamien, Sayd, wir sind sehr schnell.«
»Das stimmt, aber es gibt noch andere Geschichten. Geschichten davon, dass sie einfach nicht getötet werden kann. Unsere Alten erzählten sich, dass man ihr zwar den Körper nehmen, nicht aber ihre böse Seele töten kann.«
»Dann wäre sie ein Übel, dem niemals beizukommen ist.«
»So ist es.«
»Das kann ich nicht glauben!« Kopfschüttelnd erhob ich mich aus der Fensterlaibung, in der ich gesessen und in die Nacht geschaut hatte. »Nichts auf der Welt ist ewig.«
»Götter schon. Wenn sie in Vergessenheit geraten, heißt das noch lange nicht, dass es sie nicht gibt.«
»Aisha Qandisha ist keine Göttin«, beharrte ich. »Sie ist ein Dämon, warum sonst hätte sie es nötig, rastlos über die Erde zu streifen und nach Menschenblut zu gieren?«
»Auch Lamia wandelte auf der Erde.«
»Ich habe nie behauptet, dass sie eine Göttin war. Oder dass wir welche sind. Aber genau dafür scheint sich Aisha zu halten. Wenn wir ihr beikommen könnten, würden wir Malkuth einen empfindlichen Schlag versetzen.«
»Aber damit würden wir ihn nicht vernichten. Er würde sich andere Verbündete suchen. Und denk an die Schlafenden.«
»Nach denen Jared wahrscheinlich schon sucht«, hielt ich dagegen. »Ich glaube kaum, dass diese verrückten Zwillinge mehr Wissen haben als er.«
»Selim und Melis zu unterschätzen wäre ein großer Fehler. Bevor Jared in Malkuths Dienste trat, waren sie die Verwalter von dessen Wissen. Malkuth brauchte sie jedoch für seine Experimente, also wurde Jared die Ehre zuteil, das Wissen des Emirs zu verwalten. Sie hatten in den vergangenen zweihundert Jahren genug Zeit, sich auf ihre alten Tugenden zu besinnen.«
Auf einmal wünschte ich, Sayd hätte die beiden damals getötet, als sie sich ihm bei dem Versuch, Ashalas Elixier zu stehlen, in Malkuths Burg entgegengestellt hatten. Doch das hatte er nicht getan und ich fragte mich, ob er selbst es nicht manchmal bereute.
»Wir sollten uns wirklich auf das konzentrieren, was wir damals geschworen haben«, fuhr Sayd nach einer kurzen Pause fort. »Indem wir den Menschen helfen, das Böse auf der Welt zu bezwingen, schaden wir Malkuth weitaus mehr, als wenn wir uns mir Aisha anlegen würden. Die Dschinnkönigin mag schwer zu bekämpfen sein, aber sie steht auch in dem Ruf,
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