Das Herz der Kriegerin
Calais«, antwortete Sayd, obwohl er natürlich wusste, dass die Frage anders gemeint war.
»Ihr seid mir einer!«, lachte der Schmied herzlich auf. »Aber wenn Ihr Eure Herkunft für Euch behalten wollt, sei es drum. Sagt mir nur, woher habt Ihr diesen Mohren? Kommt er aus dem Maurenland?«
Belemoths Kiefer ließ ein Knacken vernehmen, was nichts anderes bedeutete, als dass der Schmied gerade in ziemlicher Gefahr schwebte. Wenn er eines hasste, dann für unseren Sklaven gehalten zu werden. Das hatte Renaud zwar nicht ausgesprochen, aber nicht nur mir schien, dass er kurz davor war.
»Vorsichtig, Monsieur, Belemoth ist unser Freund«, entgegnete ich. »Wenn Ihr ihn beleidigt, beleidigt Ihr uns.«
Der Schmied senkte den Kopf. »Verzeiht, aber Männer wie ihn sieht man selten hier. Und ich hatte nicht vor, ihn zu beleidigen. In Zeiten wie diesen können wir jeden gebrauchen, der gewillt ist, unser Land zu verteidigen.«
Diese Antwort stellte Belemoth zwar nicht zufrieden, doch er hörte auf, mit den Zähnen zu knirschen. Die Chancen des Wirts, mit heilen Knochen ins Bett zu kommen, waren gerade wieder gestiegen.
»Nun denn, Mademoiselle, ich rate Euch, seid vorsichtig mit der Kleidung, die Ihr tragt«, schwenkte er zu einem anderen Thema über, nicht sehr gekonnt, aber immerhin weg von Belemoth. »Es ist von den Kirchenherren nicht gern gesehen, dass Frauen sich wie Männer kleiden.«
Mir wäre beinahe herausgerutscht, dass dies in meiner Heimat keine Rolle spielte, doch dann fiel mir wieder ein, dass es meine Heimat, wie ich sie kannte, nicht mehr gab. Wahrscheinlich durften sich dort Frauen auch nur noch wie Frauen kleiden.
»Der Dauphin hat nichts dagegen, dass ich so gekleidet bin«, entgegnete ich. »Wem das missfällt, der wird sich an den Prinzen persönlich wenden müssen.«
»Verzeiht, ich wollte Euch nicht zu nahe treten. Doch unserem Bischof würde Euer Aufzug reichen, um Euch vor ein Inquisitionstribunal zu stellen.«
Ich bemühte mich, ein Grinsen zu unterdrücken. »Macht Euch keine Sorgen um mich, ich werde mir schon zu helfen wissen. Aber danke für den Rat, es ist gut zu wissen, wie die Kirchenoberen hier zu gewissen Dingen stehen.«
Den Rest des Abends verbrachten wir in angeregtem Gespräch und mit der deftigen Suppe, die uns die Gemahlin des Schmieds auf den Tisch gestellt hatte. Er offenbarte uns, dass sich seine Freunde und er schon vor einiger Zeit zu einer Art Bürgerwehr zusammengeschlossen hatten, die gegen die Burgunder und die Engländer kämpfte. Marie, die Frau aus dem brennenden Haus, war die Nichte eines seiner Mitstreiter, Renaud kannte sie gut und war dementsprechend zutiefst entsetzt, als ich Näheres von dem Überfall berichtete.
»Diese verfluchten Hundesöhne hätte ich zu gern in die Finger bekommen«, brummte der Schmied, während er Brotkrumen in die Suppe tunkte. »Nur gut, dass es Euch gelungen ist, die Kinder aus dem Haus zu holen.«
»Das war pures Glück«, entgegnete ich und warf einen Blick zu Sayd, der seinen Kopf gesenkt hielt und irgendetwas in seiner Suppenschüssel zu suchen schien. Die Erinnerung an unseren Kuss streifte mich wieder, doch ich drängte sie rasch beiseite. »Etwas später und wir hätten ihnen nicht mehr helfen können.«
»Ich hoffe, sie finden eine neue Bleibe. Maries Familie ist sehr weitreichend, bei irgendeinem Cousin oder Onkel können sie gewiss unterkommen, zumindest für eine Weile. Nur streifen sehr viele von diesen Bluthunden durch unser Land, sie sind eine wahre Plage Gottes.«
»Ich glaube kaum, dass Gott etwas damit zu tun hat«, meldete sich David zu Wort. »Der Mensch allein schafft dem Menschen Leid. Das im Namen Gottes zu tun, ist nichts weiter als eine schändliche Ausrede.«
»Wann könnt Ihr uns denn zu Euren Freunden bringen?«, fragte Sayd plötzlich.
»So bald Ihr wollt. Sagt mir nur, wann es Euch recht ist. Bislang brauchen wir uns nicht im Geheimen zu treffen. Das wird sich allerdings ändern, wenn die Engländer hier wirklich anrücken.«
»Wie wäre es mit morgen? Ein Sonntag, wenn ich mich nicht irre.«
»In der Tat. Nun, nach dem Kirchgang und dem Mittagsmahl werden die meisten Männer Zeit haben. Ich schicke meine Burschen aus, um ihnen Bescheid zu geben. Wollt Ihr Euch uns wirklich anschließen?«
»Anschließen wäre zu viel gesagt.« Sayds Blick streifte mich kurz, dann fuhr er fort: »Wir werden nur so lange bleiben können, bis die Invasion verhindert ist. Aber ich verspreche Euch, dass wir Euch
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