Das Herz der Kriegerin
seinen Augen wirkte zornig, als er durch den
Türbogen trat, der früher einmal der Eingang zu unserem Haus war. Ganz hatten
die Angreifer es nicht zerstört. Eines meiner Buchregale war stehen geblieben
und hatte einen Teil des Daches aufgefangen. Andere Möbelstücke waren unter der
Last des halben Dachstuhls zerquetscht worden. So war es auch den anderen Räumen
ergangen. Nur noch ein Stück des Daches hing am hinteren Giebel, der
größtenteils unversehrt war.
»Das waren die Dschinn, nicht wahr?«, fragte David, der dicht
hinter uns ging.
»Es ist anzunehmen. Etwas anderes kann ohne Feuer nicht solch eine
Zerstörungskraft entfalten.« Sayd bückte sich nach etwas, das ich zunächst nicht
erkennen konnte. Als er es mit den Fingerspitzen in die Höhe hielt, erkannte ich
eine von Jareds Schachfiguren, eine Pyramide. Wahrscheinlich lag unter dem
Schutt das restliche Spiel.
»Seht mal, hier«, rief Belemoth hinter uns und deutete auf einen
umgestürzten Balken, der auf den ersten Blick wie zufällig dort lag. Und dennoch
unterschied sich seine Anordnung von den restlichen Trümmern. Jemand wollte,
dass wir ihn bemerkten! Belemoth fuhr mit dem Finger über das Holz.
Als ich näher trat, erkannte ich eine Einritzung.
Es handelte sich um ein ägyptisches Symbol, jenes, das Jared auch
als Waffe diente. Der Ankh, das Henkelkreuz, das sämtliche ägyptischen Götter
als Zeichen der Macht über das Leben und die Sterblichen bei sich trugen.
»Da ich kaum glaube, dass Vincenzo unter Langeweile gelitten hat,
nehme ich an, dass er uns damit einen Hinweis geben wollte.«
Jetzt flammte ein kleines Lächeln auf Sayds Gesicht auf. Der Ankh
war eines unserer geheimen Zeichen, mit denen wir einander mitteilten, dass wir
am Leben waren.
»Lasst uns zur Kirche reiten. Ich vermute, dass Vincenzo unsere
Leute dorthin gebracht hat.«
Obwohl es nun Hoffnung gab, dass zumindest einige unserer
Freunde überlebt hatten, plagte mich auf dem Weg zu unserem Unterschlupf das
schlechte Gewissen. Ich hätte auf Alix hören sollen! Wahrscheinlich wird sie
mich verflucht haben, als der Angriff losging. Falls sie überlebt hatte, würde
unsere Freundschaft dennoch Schaden genommen haben, zumindest aber würde ich mir
auf ewig Vorwürfe machen.
»Ob die Dschinn noch da sind?«, fragte ich Sayd, als ich mein
Pferd neben ihn lenkte. Die Stille des Waldes gefiel mir nicht. Auch in
Frankreich hatten sich die Tiere so verhalten wie hier. Sie waren nicht fort,
verhielten sich aber leise, als wollten sie verhindern, dass diese Wesen, die
nicht hierher gehörten, auf sie aufmerksam wurden.
»Was, wenn sie Vincenzo …«
»Ich glaube nicht, dass sie seiner habhaft geworden sind«,
versuchte Sayd mich zu beruhigen. »Immerhin weiß er bestens über sie Bescheid
und er ist ihnen ja auch schon einmal entkommen. Ich glaube, ihn werden wir auf
jeden Fall wiedersehen. Bei den anderen bin ich mir nicht sicher.«
Genauso ging es mir auch. Wer war ihnen entkommen und wer diente
nun der Dschinnkönigin?
Nachdem wir den Wald hinter uns gelassen hatten, preschten wir
querfeldein über die Äcker und Wiesen. Als der Abend heraufdämmerte, tauchten
die Reste der Kirche vor uns auf.
Nachdem wir uns vergewissert hatten, dass die Wolken am Himmel
wirklich nur vom Wetter herrührten und nicht von einer Horde blutgieriger
Dschinn, versteckten wir unsere Pferde im Gebüsch und näherten uns dem Eingang.
Zufällig Vorbeireisenden wäre es nicht aufgefallen, doch ich sah, dass die Luke
erst vor Kurzem bewegt worden sein musste. In dem unterirdischen Labyrinth, zum
Glück hatten wir auch Brennholz und haltbare Lebensmittel hier eingelagert,
konnte man leben, nicht besonders gut, aber lange genug, um eine Gefahr
auszusitzen oder sich ein Mittel dagegen einfallen zu lassen.
Ich wollte schon nach dem Ring greifen, als David mich
zurückhielt.
»Vorsicht, Laurina, da ist ein Auslöser!« Sanft schob er meine
Hand beiseite, ergriff die kurze Schnur, die im trockenen Gras fast unsichtbar
war, und zerrte einmal kräftig daran. Wenig später schlug etwas von unten an den
Stein. Eine Bolzenfalle. Vincenzo hatte an alles gedacht.
»So, jetzt kannst du öffnen«, erlaubte mir unser Schmied nun. Als
ich die schwere Steinluke aufzog, steckte ein riesiger Bolzen im Stein. Die
Wucht, mit dem er abgefeuert worden war, musste enorm gewesen sein.
David war sichtlich stolz. »Es ist doch schön, zu sehen, dass sich
meine Freunde meine Ratschläge zu Herzen nehmen.«
In der
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