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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Blutstropfen sickerten. Mit seinen kalten Lippen küsste er das Blut ab und näherte sich dann ihrem Gesicht. Es war etwas in seinem Ausdruck, das sie zurückweichen ließ.
    »Nicht! Was haben Sie vor?« Die Worte brachen aus ihr heraus, ehe sie sie zurückhalten konnte. Er erstarrte.
    Oh nein, nun würde er sich zurückziehen, und alles wäre zu Ende, noch ehe es begonnen hatte. Noch war nichts passiert. Noch konnte sie sich einbilden, sie hätte sich nur einem schönen Traum hingegeben.
    Erleichterung und unendliche Traurigkeit überfluteten sie, dass ihr Tränen in die Augen traten. András küsste sie weg und ließ seine Lippen über den blutigen Riss an ihrer Schläfe wandern.
    »Sagen Sie mir, was Sie wünschen. Ich bin Ihr Diener. Wenn Sie wollen, dass ich gehe, dann verschwinde ich wie der Schatten der Nacht. Und wenn Sie wünschen, dass ich bei Ihnen bleibe, dann wird es so sein, wie Sie es sich tief in Ihrem Innern wünschen. Nicht mehr und nicht weniger.«
    »Ich kann nicht! Ich habe Angst.«
    »Vor Ihrem Gatten? Er wird es nicht erfahren.«
    »Nein, ja, das auch, aber mehr noch vor mir selbst, und wie es danach sein wird. Mit welchen Augen werden wir uns sehen? Wie kann so etwas weitergehen? Wann geht es zu Ende, und welch tiefer Abgrund wartet dann auf mich? Kann ich mich selbst noch im Spiegel mit einem guten Gewissen betrachten? Ich habe einen Eid geschworen! Ich habe in meiner Ehe Treue gelobt. Wie könnte ich mir solch einen Verrat verzeihen?«
    András löste sich von ihr und erhob sich. »Dann überlasse ich Sie nun Ihrem wohlverdienten Schlaf. Ja, träumen und genesen Sie.«
    »András!« Sie reckte ihm die Arme entgegen wie eine Ertrinkende und hasste sich selbst in diesem Augenblick ihrer Hilflosigkeit wegen, doch sie konnte nicht anders. »Werden wir uns wiedersehen?« Panik überfiel sie bei dem Gedanken, ihn jetzt zu verlieren.
    András kam zurück, nahm ihre Hände und küsste sanft jede ihrer Fingerspitzen. »Therese, Sie brauchen nicht an unserer Freundschaft zu zweifeln. Werden Sie gesund und beeilen Sie sich damit! Sie schulden mir noch einen Besuch im Burgtheater, und Sie müssen einfach königlich aussehen, wenn wir beim Karussell dem Sieg entgegenfahren. Ich verlasse mich auf Sie!«
    Sie lächelte unter Tränen. »Ihr Wunsch ist mir Befehl, verehrter Freund András.«
    Und dann war er verschwunden. Er ging nicht einfach durch die Tür oder stieg gar durch das Fenster. Er war einfach nicht mehr da. Therese rieb sich verwirrt die Augen. Nein, sie konnte ihn nicht mehr sehen und seine Präsenz nicht mehr erspüren. Er war weg.
    Hatte sie etwa doch geträumt? Verwirrt legte sie sich in ihre Kissen zurück. Wenn es ein Traum gewesen war, dann ein schöner, berückender, der ihr Blut in Wallung versetzt hatte. Mit einem wohligen Seufzer schlief die Fürstin ein.
    Der Vampir lief durch die Nacht. Es rauschte in seinen Ohren, so schnell rannte er über das Glacis und dann hinaus in die Vororte, wo die Menschen müde von ihrer schweren Arbeit im tiefen Schlaf lagen. Es hatte ihn ungeahnte Kraft gekostet, sich zu beherrschen. Es war ein Fehler gewesen, von ihrem Blut zu kosten. Nun benebelte die Gier seinen Geist, und der Durst schien ihn übermannen zu wollen.
    So war es in den ersten paar Dutzend Jahren gewesen, als der Blutdurst den Geist noch beherrschte. Niemals wieder wollte er sich so völlig seinen Trieben hingeben. Es waren harte Jahre gewesen, die er sich in Beherrschung geübt hatte. Schmerzhaft für Körper und Geist, doch der Geist hatte den Sieg davongetragen, und er war nicht bereit, ihn dem Trieb jemals wieder unterzuordnen. Dass das für einen Vampir schwer, ja nahezu unmöglich war, wusste der Graf, dennoch gab er nicht nach. Er war stark geworden in den Jahrhunderten, die verstrichen waren, stark auch gegen sich selbst.
    Dennoch wusste er, bevor er in seinen Sarg zurückkehren konnte, brauchte er Blut. Viel Blut, um die Erinnerung zumindest für den Augenblick wegzuspülen. Der Vampir witterte nach allen Seiten und sprang dann über eine niedere Mauer in den Hof eines Hauses, in dem gut zwei Dutzend Menschen schliefen. Männer, Frauen und Kinder. Ohne Hast erklomm er ein Fenster und drang in die Schlafkammer ein. Das Mahl konnte beginnen!
     
    16. Kapitel
    Hausdurchsuchung
    Es war kaum eine Stunde Tag, als ungestüm an das Tor zu dem Palais geklopft wurde, das der auf so rätselhafte Weise verstorbene Bankier Fries hatte bauen lassen. Goran schreckte aus dem Schlaf hoch. Er

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